Die Wartezeit auf eine Luftbildauswertung vom Kampfmittelbeseitigungsdienst dauert derzeit 38 Wochen. Bauherren beschweren sich – oder wenden sich an teurere private Anbieter.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Der jüngste Fund in Stuttgart liegt noch nicht lange zurück: Mitte August ist bei Bauarbeiten eine Fliegerbombe in Stuttgart-Wangen entdeckt worden. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst Baden-Württemberg musste anrücken – und konnte sie erfolgreich entschärfen. In Stuttgart – wie in ganz Baden-Württemberg, besonders allerdings in den Städten – kommt es immer wieder zu größeren Einsätzen.

 

Um solch explosive Situationen im Vorfeld zu minimieren oder am besten ganz zu vermeiden, kommt der Kampfmittelbeseitigungsdienst im Regelfall viel früher ins Spiel: Bei Neubauprojekten geben die meisten der Grundstückseigentümer eine Luftbildauswertung in Auftrag, um sicherzustellen, dass keine Bomben, Granaten oder auch Kleinmunition im Boden lagern.

„Ich bekomme zehn bis 15 bitterböse Anrufe täglich“

Doch aus der Situation beim Kampfmittelbeseitigungsdienst ergibt sich derzeit selbst eine explosive Mischung: Auf sechs Luftbildauswerter kommen 2000 Anträge pro Jahr. „Das ist nicht zu bewältigen“, sagt Ralf Vendel, Leiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Baden-Württemberg. Deshalb betrage die Wartezeit derzeit 38 Wochen – das sind knapp zehn Monate.

Das sorgt freilich für Zündstoff: „Ich bekomme zehn bis 15 bitterböse Anrufe täglich“, sagt Vendel. Bauherren beschwerten sich darüber, dass solch eine lange Wartezeit nicht anginge. „Ich fühle mit ihnen, kann aber nichts machen“, sagt Vendel. Vor zehn Jahren, sagt er, seien es noch 1300 Anträge pro Jahr gewesen, damals habe er fünf Luftbildauswerter gehabt – statt heute sechs. „Ich kann mit meinen Mitarbeitern nur 1500 bis 1600 Anträge pro Jahr bearbeiten“, so Vendel, „ich habe eine Stellenaufstockung beantragt, aber auch beim Regierungspräsidium muss man Personal einsparen.“

Die Alternative: Den Auftrag an einen gewerblichen Anbieter vergeben

Gründe für die lange Wartezeit sei eine Antragsflut, die durch die gute Baukonjunktur und die Niedrigzinslage bedingt sei. „Zudem empfiehlt die BG Bau, die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, dass bei jeder Baumaßnahme eine Luftbildauswertung vorgenommen wird“, sagt Vendel, auch dies trage zu einem Anstieg der Nachfrage bei. Denn ein Gesetz, das eine Luftbildauswertung vorschreibt, gibt es nicht. „Allerdings wird jede Baufirma, bevor sie ihre Bagger auf ein Grundstück schickt, eine Kampfmittelfreigabe vom Eigentümer verlangen“, sagt Vendel – somit sei eine solche Auswertung faktisch unumgänglich.

Bei der Landes-Bau-Genossenschaft Württemberg weiß man um die Situation. „Wir haben die Erfahrung selbst gemacht – bei unserer Anfrage damals waren es allerdings noch 26 Wochen Bearbeitungszeit“, sagt Antje Durach, Leiterin der technischen Abteilung der Landes-Bau-Genossenschaft. Da die Freigabe aber zeitnah benötigt wurde, habe man nach einer anderen Lösung gesucht – und letztendlich den Auftrag an einen privaten Anbieter vergeben. „Dort kostet es etwas mehr, aber da ich gehalten bin, das wirtschaftlich günstigste Angebot auszuwählen, sind eine Wartezeit von 38 Wochen unwirtschaftlich“, sagt Durach.

Kampfmittelbeseitigungsdienst gibt 20 bis 25 Prozent der Aufträge ab

Auch der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) sind die Bearbeitungsfristen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes bekannt. „In letzter Zeit mussten wir des Öfteren auf andere gewerbliche Dienstleister zurückgreifen, um unsere Bauzeitenplanung einhalten zu können“, so Faith Brandt, die Assistentin der Geschäftsführung. Diese benötigten für die Auswertung von Luftbildern in der Regel kürzere Bearbeitungszeiten.

Vendel bestätigt das: „Wir geben derzeit 20 bis 25 Prozent unserer Aufträge an private Luftbildauswerter ab, das heißt: wenn ein Bauherr es besonders dringend hat, empfehlen wir ihm einen privaten Anbieter.“ Dort koste es etwas mehr, es gehe aber schneller. „Allerdings weiß ich, dass es dort inzwischen auch schon mehrere Wochen dauert“, sagt Vendel.

Landesweit 850 bis 950 Fundmunitionsmeldungen pro Jahr

Bei der Firma Geowolf aus Weinstadt im Rems-Murr-Kreis sind es laut dem Geschäftsführer Manfred Wolf derzeit vier Wochen. Über die Preise könne er keine genaue Aussage treffen: „Das kommt darauf an, wie groß das Areal ist und ob es im ländlichen Raum oder in der Großstadt liegt, denn im letzteren Fall muss man viel genauer hinschauen“, sagt er. Beim Kampfmittelbeseitigungsdienst muss man bei einem klassischen Einfamilienhaus mit 100 bis 300 Euro rechnen.

Wenn übrigens Kampfmittel gefunden werden oder auch nur der Verdacht besteht, dass sich derartiges im Boden befindet, muss der Kampfmittelbeseitigungsdienst doch wieder zum Einsatz kommen. „Wir haben pro Jahr 850 bis 950 Fundmunitionsmeldungen: Auch die privaten Unternehmen melden sich bei uns, denn die dürfen nicht entschärfen, wir holen die Kampfmittel dann ab. An vielen Tagen sind alle sechs Feuerwerker tagsüber unterwegs“, sagt Vendel.