Einmal im Leben über die Pisten in den Rocky Mountains brettern und auf Wolke sieben wedeln. Davon träumt jeder hartgesottene Skifahrer.

Banff - Es gibt Reisepläne, die man am besten klammheimlich hegt. Blanker Neid ist ansonsten die Folge. Das Stichwort heißt Pulverschnee. Rar in den Alpen, regelmäßig in den Rockies. Dort nennt sich der Stoff „Champagne-Powder“. Ein Begriff, der die Wirkung einer Droge hat. Ein Zeug, das dich beim Wedeln auf Wolke sieben schickt. So jedenfalls lautet das Versprechen. Vor dessen Einlösung stehen mehr als neun Stunden Flug und acht Stunden Zeitverschiebung. Landung in Calgary. Die Schneedecke ist dünn. Bei der Weiterfahrt auf dem Transcanadian Highway stehen die Nadelbäume ohne weiße Last. Was lastet, ist zunächst nur der Jetlag. Und das schlechte Gewissen wegen der ökologisch unkorrekten Fliegerei zum Wintersport. Kenji hat es richtig gemacht.

 

Der Skiguide aus Japan ist einfach hiergeblieben. Vor Jahren kam er nach Banff, stand im Skigebiet Sunshine Village das erste Mal auf den Brettern, alles andere als ein Naturtalent. Tagelang kam er vom Idiotenhügel nicht weg. Aber Kenji hat nicht aufgegeben. Nachdem er endlich auch tiefschwarze Pisten bewältigte, ließ er sich zum Skilehrer ausbilden. Seitdem lebt er hier in Alberta, wie die kanadische Provinz mit den mächtigen Gipfeln heißt. Benannt ist sie nach einer Tochter Queen Victorias. Der Winter dauert lange in den Rocky Mountains. Er beginnt im November und endet oft erst Anfang Juni. Die Temperaturen liegen in der Regel zwischen minus zehn und minus 24 Grad. Klar, dass der Schnee hier trocken und luftig bleibt. Und die Ausrüstung speziell sein muss: Extradicke Daunenjacken und Handschuhe, Kälteschutzcreme, Schneebrillen. „Angel Express“ heißt einer der Sessellifte, die im Sunshine Village zu paradiesischen Pisten befördern sollen.

„Delirium Dive“, „Forget-Me-Not“ oder „Hell’s Kitchen“

Der Wind faucht mit frostiger Macht. Dreimal bleibt der Lift stehen. Der Schnee ist gut. Aber nicht besser, als er letztes Jahr in der Schweiz war. Er ist weich und griffig, aber er staubt nicht auf wie Puder. Außer an Wochenenden ist hier kaum etwas los. Die Pisten sind wunderbar leer. Sie tragen hübsche Namen wie „Delirium Dive“, „Forget-Me-Not“ oder „Hell’s Kitchen“. Und an der Gondelstation warten nette Jungs, um einem die Bretter abzunehmen und in die Halterung zu stellen. Alberta lässt es prickeln. Jedenfalls bei der Mittagspause in der Lodge, als die Hüttenwärme das Gesicht mit tausend kleinen Nadelstichen rötet. Zwei Tage später, in Lake Louise, ist es noch kälter: minus 23 Grad bei starkem Nordwind. Hier sind Lifte im Einsatz, die in den Alpen längst ausgemustert worden wären. „Paradise Chair“ etwa bietet den Komfort blanker Eisenstangen im Kreuz und schnurrt in derart luftiger Höhe über die Piste, dass einem beim Blick nach unten schlecht wird.

Einfach die Augen schließen, rät Mike Dandurand. Er ist ein einheimischer„Skifriend“, der kostenlos mit Gästen das Skigebiet erkunden geht. Er weiß, welche Pisten im Windschatten liegen und wo die schönste Hütte für den Lunch wartet. Skifriends sind in Lake Louise an jedem Wochentag im Einsatz. „Touristikern aus den Alpen bricht der Angstschweiß aus, wenn sie unser Konzept sehen“, grinst Mike Dandurand. Sein Lohn für die Gästebegleitung sind ein Gratis-Skipass und die Chance, interessanten Menschen zu begegnen. Wie die beiden australischen Kids, die ihn frech grinsend bei jeder noch so steilen Abfahrt überholten und erst am Ende eines langes Skitages verrieten, dass sie der Jugendnationalmannschaft ihres Landes angehörten.

Giganten, die sich aus der Prärie stemmen

Mike hatte danach den schlimmsten Muskelkater seines Lebens. Da gönnt man sich lieber einen Tag Sportpause und bummelt gemächlich im Leihwagen den Icefields Parkway entlang, um den Rockies zu huldigen. Keiner der kanadischen Rocky-Mountains-Gipfel ist höher als 4000 Meter, die meisten bleiben sogar unter 3000. Trotzdem wirken sie wie Giganten, die sich aus der Prärie stemmen. Sie prunken mit immer neuen Gesteinsformationen und Farbenspielen zwischen Rosa und düsterem Grau, mimen mal Matterhorn oder Montblanc, dann wieder die Dolomiten. Links und rechts des Highways, der zu den Traumstraßen der Welt gezählt wird, hängen türkis-bläulich schimmernde Gletscher am Fels, „gefüttert“, wie die Einheimischen sagen, von den noch größeren Eisfeldern oberhalb. Endlich sind auch die Bäume verzuckert, und die gefrorenen Wasserfälle wirken wie drapierte Roben der Schneekönigin. Winterwunderland, wirklich.

Am Sunwapta Pass, in Höhe des mächtigen Columbia-Icefields, stoßen Banff National Park und Jasper National Park aufeinander. Zusammen ist das geschützte Gebiet rund 23 000 Quadratkilometer groß, eine Fläche, die mehr als die halbe Schweiz einnimmt. Die Geschichte der kanadischen Nationalparks beginnt in Banff, das 1885 von der Canadian Pacific Railway erreicht wird. „Da wir die Landschaft nicht exportieren können, müssen wir die Leute hierher bringen“, befand Investor Cornelius Van Horne und ließ das monumentale Banff Springs Hotel bauen. Das „Castle of the Rockies“ genannte Haus ist ein Palast mit 800 Zimmern. Allerdings verfügt es nicht mehr über eine Leitung zu den heißen Quellen, wegen deren Entdeckung hier erstmals ein geschütztes Gebiet ausgewiesen wurde.

Die Thermalbäder liegen heute ein Stück oberhalb am Fuß des Mount Sulphur. In Jasper nennt sich der kostenlose einheimische Begleiter „Mountain Host“. Heinz Brink stammt aus Schlesien und ist mit über 80 Jahren immer noch ein leidenschaftlicher „Ski Bum“, wie die hartgesottenen Pistenfeger genannt werden. Es schneit ohne Unterlass im Skigebiet des „Marmot Basin“. Der frische Schnee stiebt nicht auf wie Puder, aber er fügt sich seidenweich unter die Kanten. Den Begriff des „Champagne-Powder“ hat übrigens ein Rancher in den 1950ern ersonnen, allerdings in Colorado. Egal. Morgen soll es aufklaren. Zeit, den berauschenden weißen Stoff noch einmal zu suchen.

Infos zu Alberta

Anreise
Air Canada ( www.aircanada.com ) und Lufthansa ( www.lufthansa.com ) fliegen nonstop von Frankfurt nach Calgary ab ca. 800 Euro hin und zurück. Skigebiete Von Banff aus sind die Skigebiete Sunshine Village (107 Pisten) und Mount Norquay (28 Pisten) in 10 bis 20 Autominuten erreichbar. Lake Louise liegt etwa eine Fahrstunde weiter nördlich und bietet mit knapp 17 Quadratkilometern und 139 Pisten das größte Skigebiet der kanadischen Rocky Mountains.

Der Icefields Parkway führt in das noch nördlicher gelegene Jasper mit dem Skigebiet Marmot Basin (84 Pisten). www.skibig3.com

Allgemeine Informationen
www.travelalberta.com, www.skimarmot.com

Unterkunft
Sunshine Mountain Logde im Sunshine Village direkt an der Piste, www.sunshinemountainlodge.com .

In Banff ist die Buffalo Mountain Lodge, in Lake Louise die Deer Lodge schön, beide www.crmr.com .

Gediegene Unterkunft in Jasper bietet die Fairmont Jasper Park Lodge, www.fairmont.com/jasper .

Pauschalen
Mehrere Veranstalter bieten Skireisen in die kanadischen Rockies an. Bei Hagen Alpintours kosten „Ski the Rockies” (Flug und Transfers, 7 Übernachtungen sowie 5-Tage-Skipass) ab 1620 Euro pro Person im DZ, www.pulver-schnee.de

CMT
Kanada stellt aus in Halle 4, Stand C27 .