Wer in Kanadas Norden unterwegs ist, sucht Einsamkeit und das Glück der Weite. Er trifft aber auch auf skurrile Typen, die da oben hängen geblieben sind.

Yellowknife - In der Sprache der Tlicho-Ureinwohner heißt Yellowknife Somba K’e, Ort des Geldes. Tlicho, Dene, Inuit, Métis, Kanadier aus dem Süden, aber auch Aussteiger aus der ganzen Welt leben hier. Matthew Grogono beispielsweise, der vor seinem Laden am McDonald Drive an einem Kinderfahrrad schraubt. Auf 62°27 Grad Nord, rund 1500 Straßenkilometer nördlich von Edmonton/Alberta, am Rande der Stadt mit ihren fast 20 000 Einwohnern. Yellowknife, Ziel einer 2000 Meilen langen Reise im Wohnmobil von Whitehorse/Yukon in die Hauptstadt der Northwest Territories, wurde einst wegen der Goldvorkommen gegründet.

 

Heute prosperiert die Stadt dank der Diamantenminen. Matthew hingegen lebt von Glas. Von gesammelten alten Flaschen, die er in kleine Kunstwerke verwandelt. Der gelernte Kfz-Mechaniker aus England studierte einst in Halifax Philosophie, praktizierte Yoga in Marokko und blieb 1994 in Yellowknife hängen. In seinem Laden Old Town Glassworks verkauft der bärtige 53-Jährige Gläser mit sandgestrahlten Wildnis-Motiven. In Workshops gestalten Touristen eigene Gläser: während der eisigen Wintermonate vor allem Japaner, die kommen, um die spektakulären Nordlichter zu beobachten. Es ist jedoch warm, als Matthew die deutschen Wohnmobil-Nomaden zu seiner Wohnung schippert. Die „Icarus“, ein fantasievoll gestaltetes Hausboot, liegt nur ein paar Minuten vom Laden entfernt.

Auch im Sommer noch kleine Eisschollen

Von der Terrasse hat man einen weiten Blick auf die Stadt mit ihrem Pilots Monument auf der schmalen Halbinsel im Großen Sklavensee. Auch heute noch spielen (Wasser-)Flugzeuge eine große Rolle, ist doch allein der Wood-Buffalo- Nationalpark in den Northwest Territories größer als die Schweiz. Bei den gewaltigen Entfernungen im menschenleeren Norden Kanadas ist es hilfreich, das Wohnmobil nicht mehr nach Whitehorse zurückbringen zu müssen. So lassen sich die Highlights von Alaska, Liard und Mackenzie Highway bequem während eines Urlaubs ansteuern. Whitehorse, Hauptstadt der Provinz Yukon, ist bekannt für das Schlittenhunderennen „Yukon Quest“.

Für die 1609 Kilometer bis nach Fairbanks in Alaska benötigen die schnellsten Teams bei Temperaturen von bis zu minus 40 Grad elf Tage. Nach einem langen Winter schwimmen auf den Seen rechts und links des Alaska Highway auch im Sommer noch kleine Eisschollen. Bären, Bisons und Elche suchen ohne Scheu am Straßenrand Gras, Blätter oder Beeren. Auf einsamen Stellplätzen hält man nachts bei verdächtigem Knacken im Unterholz schon mal den Atem an und lärmt nach einem ausgiebigen Frühstück beim Verlassen des Wohnmobils ordentlich, um überraschende Begegnungen mit Bären zu vermeiden.

Auf den großteils asphaltierten Strecken ist der Allradantrieb des Doppelkabiners mit Huckepack-Wohnkabine nicht notwendig, beruhigt aber, wenn man auf der einsamen Canol Road morgens durch fünf Zentimeter Neuschnee stapft. Gar keine Straße führt in den riesigen Nahanni-Nationalpark. Er ist nur aus der Luft oder mit dem Kanu zu erreichen. Wer sich mit Pilot Serge oder einem seiner Kollegen in Fort Simpson in eine Cessna quetscht, erlebt während des dreistündigen Fluges die Dimensionen dieser Wildnis. Ein Abstecher Richtung Alberta durch den Wood-Buffalo-Nationalpark lohnt sich nicht nur wegen der Begegnung mit den größten Landsäugetieren Nordamerikas, sondern auch, um die nördlichsten Pelikan-Kolonien des Kontinents zu besuchen und auf den Spuren des Forschers Alexander Mackenzie zu wandern.

Yellowknife hat Kultstatus

Während die Flora wenig spektakulär ist, kommen Tierfotografen voll auf ihre Kosten: Bison-Familien fordern das Vorfahrtsrecht, Füchse stehen wie Statuen an der Böschung, Elche lecken Salzreste von der Straße. Es gibt Broschüren mit Verhaltenstipps: „Wenn der Bär Sie berührt, lassen Sie sich auf den Boden fallen und stellen Sie sich tot. Kommen Sie mit dem Gesicht nach unten zu liegen, verschränken Sie Ihre Hände im Nacken und spreizen Sie ihre Beine leicht, damit der Bär Sie nicht umdrehen kann“. Yellowknife hat in den vergangenen Jahren Kultstatus erlangt - auch wegen der US-Doku-Soap „Ice Road Truckers“.

Das erklärt vielleicht auch die gepfefferten Preise in Bullocks Bistro, unweit von Matthews Werkstatt. Für ein Bisonsteak und ein Yukon Red ist man zu zweit 100 Dollar los. Eine der Kellnerinnen kommt aus Thüringen, der Liebe wegen. „Der Mann ist fort, aber aus Yellowknife bringt mich keiner mehr weg!“ Monika lacht.

Infos zu Kanada

Anreise
Direktflüge mit Condor von Frankfurt nach Whitehorse ab 400 Euro, mit Air Canada ab 1300 Euro. Flüge von Yellowknife nach Frankfurt mit Lufthansa oder Air Canada ab 1270 Euro. www.condor.com , www.lufthansa.com , www.aircanada.com .

Unterkunft
Beispiel Pauschalangebote: Am Tag der Ankunft vor Übernahme des Campers ist ein Hotel in Whitehorse reserviert, ebenso vor Abflug in Yellowknife. Sonst Übernachtung im Camper. Eine 19-Tage-Tour kostet inkl. Flug mit Air Canada (Frankfurt-Whitehorse/Yellowknife-Frankfurt), Truck-Camper mit 2000 Freikilometern, Vollkaskoversicherung, Einwegmiete und 2 Hotelübernachtungen bei Mobil-Belegung mit 2 Personen ab 2795 Euro.

Alternativ drei Wochen mit 2500 Freikilometern ohne Flug ab 1659 Euro. Weitere Infos unter www.sktouristik.de und www.canusa.de .

Essen und Trinken
In Whitehorse in den Supermärkten Vorräte für die Bordküche besorgen. Einen Biervorrat legt man sich am besten in Whitehorse an in der Yukon Brewing Company LTD, 102A Copper Road - z. B. Chilkoot Lager, Deadman Creek und Lead Dog English Ale.

Allgemeine Informationen
Infos zu den Einwegmieten unter www.canusa.de/specials/whitehorse-yellowknife.html , zu den Northwest Territories unter www.spectacularnwt.de .

Sehenswürdigkeiten/Tourtipps
Im legendären Schilderwald von Watson Lake wurden im Lauf von Jahrzehnten rund 80 000 Ortstafeln und Kfz-Kennzeichen aus aller Welt befestigt. Bringen Sie ein Schild mit, wenn Sie sich verewigen wollen! Nordlichter kann man im Northern Lights Space and Science Centre auch im Sommer sehen. Wer abseits der Hauptstraßen unterwegs sein will, sollte die historische Canol Road benutzen, die vom Alaska Highway am Teslin River nach Norden abbiegt.