Es ist noch gar nicht lange her, da war Ergun Can ziemlich sauer auf seine Partei, die SPD. Das ist offenbar Schnee von gestern, denn er will für die Genossen bei der Landtagswahl antreten – als Kandidat für die Filderbezirke.

Degerloch - Er hat sich immer als Parteisoldat gesehen. Doch 2014 schmiss der Degerlocher Ergun Can die Brocken hin. Zuvor hatte sich der Politiker ein Jahrzehnt lang im Stuttgarter Gemeinderat engagiert. Grund für den Abgang in Unfrieden war die aus Cans Sicht demütigende Platzierung auf der Liste für die Kommunalwahl durch die Partei. Ein Jahr später will Ergun Can nun für die von ihm gescholtene SPD in die Bresche springen – und kandidiert für den Landtag. Unter anderem für die Filderbezirke. Er erklärt, wie es zu dieser Entscheidung kam und was er in der Landespolitik erreichen will.

 
Sie haben sich bis zum Streit mit Ihrer Partei 2014 ein Jahrzehnt in der Kommunalpolitik engagiert. Warum jetzt der Wechsel in die Landespolitik?
Ich bin von vielen in der Partei und vor allem auch außerhalb der SPD angesprochen worden, ob ich mich mit meinen Erfahrungen nicht für die Bürger in der Landespolitik engagieren möchte. Nachdem mich die SPD gebeten hat, zu kandidieren, habe ich mich dazu entschlossen.
Was wollen Sie im Landtag durchsetzen?
Meine Themen werden besonders Arbeitspolitik und Soziales sein. Da bringe ich als langjähriger Betriebsratsvorsitzender viele Erfahrungen mit. Mich interessieren besonders die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt von morgen.
2014 sprachen Sie noch davon, dass für Sie im Umgang der SPD mit ihrer Person eine Schmerzgrenze erreicht sei. Warum nun das neue Engagement für die SPD?
Damals habe ich die Vorgänge als Missachtung meiner Person empfunden und deshalb davon gesprochen, dass eine Schmerzgrenze erreicht sei. Das war aber eine damalige Entscheidung der SPD beziehungsweise einiger SPD-Genossen. Ich habe sie kritisiert, habe mich aber nie von den Grundwerten der Partei distanziert. Ich habe seitdem immer konstruktiv mitgearbeitet. Von daher ist meine Kandidatur für den Landtag schlüssig.
Hat sich die Partei in den vergangenen Monaten verändert oder Sie?
Es hat sich innerhalb der Partei etwas bewegt. Wenn ich an das jetzige Kandidatenportfolio denke, kann ich mich darin wiederfinden.
Wie dick muss die Haut eines Politikers sein, um mit Enttäuschungen fertig zu werden? Ist Ihre dicker geworden?
Politiker müssen beides können: dicke Bretter bohren und mit einer dicken Haut vieles aushalten. Im politischen Alltag ist niemand auf Rosen gebettet, und man lernt im kalten Wasser schwimmen. Mir hat es 2014 geholfen, dass ich immer einen Beruf ausgeübt habe und deshalb, anders als andere, nicht in ein tiefes Loch gefallen bin ohne die Politik. Das hilft. Außerdem habe ich im Beruf gelernt, dass sich manchmal Türen öffnen, wenn sich andere schließen. Ich bin nun über 40 Jahre berufstätig. Da stellt sich eine gewisse Gelassenheit gegenüber den Dingen ein.
Das Gespräch führte Cedric Rehman.