Die Gemeinderatsfraktion will offenbar am Donnerstag entscheiden, wen sie in das Rennen um die Nachfolge von Baubürgermeister Matthias Hahn schickt. Bundesparteichef Cem Özdemir soll sich für eine Frau stark machen.

Stuttgart - Die Grünen sollen dem Gemeinderat mehr als nur einen Bewerber für die Nachfolge des im August aus dem Amt scheidenden Baubürgermeisters Matthias Hahn präsentieren. Dazu hat nach Hannes Rockenbauch von der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus nun auch die FDP die Grünen aufgefordert. Die Grünen reklamieren als zweitstärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für sich. Der Liberale Matthias Oechsner hält ein Schaulaufen verschiedener – von den Grünen bestimmter – Kandidaten für sinnvoll und bezieht sich ausdrücklich darauf, dass die Grünen derzeit nicht wüssten, wem sie den Vorzug geben sollten. Es gebe sowohl Sympathiebekundungen für die Stadträtin Gabriele Munk wie für deren Parteifreund Peter Pätzold. Der Fraktionschef der Grünen hat sich zwar noch nicht geäußert, wird im Rathaus wegen seiner fachlichen und politischen Erfahrung aber als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge gehandelt. Auch Bürgermeister Hahn war einst Fraktionsvorsitzender, ebenso seine Kollegen Werner Wölfle (Grüne), Michael Föll sowie Susanne Eisenmann (beide CDU).

 

Soll doch die Parteibasis entscheiden?

Obwohl den Grünen an einer Debatte, die offen Zweifel an ihrer Auswahlfähigkeit nährt, nicht gelegen sein kann, wird diese auch parteiintern befeuert. Und zwar nicht nur durch die Fraktionsvorsitzende Anna Deparnay-Grunenberg, die sich bisher außerstande gesehen hat, eine Präferenz für ihren Partner Pätzold zu erkennen. Der Bundesvorsitzende Cem Özdemir ist von weiblicher Seite aufgefordert worden, sich bei den Stuttgarter Kollegen für eine Frau auf der Bürgermeisterbank stark zu machen. Nachdem mit Wölfle und OB Fritz Kuhn Männer gewählt worden seien, würden die Regeln zwingend vorschreiben, nun die verdienstvolle Gabriele Munk für den Posten vorzuschlagen. Zum anderen ist intern die Frage aufgeworfen worden, ob es diesmal nicht klüger wäre, die Parteibasis entscheiden zu lassen. In beiden Fällen wird das Negativbeispiel der CDU-Landtagsfraktion ins Feld geführt, die es unlängst bei der Wahl des Landtagspräsidenten versäumt hat, mit der Ernennung einer Frau ein Zeichen zu setzen.

Kreisvorstand möchte nächste Woche debattieren

Für die Kreisvorsitzende Muhterem Aras steht außer Frage, dass niemand anderem als der 14-köpfigen Fraktion das Vorschlagsrecht für den Bürgermeisterkandidaten zustehe. Diese müsse schließlich im Gemeinderat für ihren Bewerber oder ihre Bewerberin eine Mehrheit organisieren. CDU und SPD haben sich zwar bereit erklärt, das Vorschlagsrecht der Grünen zu akzeptieren – das heißt aber nicht, dass sie jeden Bewerber durchwinken würden. Der Kreisvorstand werde das Thema in der kommenden Woche diskutieren, sagt Aras. Sie geht davon aus, dass wie 2011 bei der Entscheidung zugunsten von Werner Wölfle bei der Nominierung zur Wahl des Verwaltungsbürgermeisters die Basis das Votum der Fraktion bewerten wird. Von einer Frauenquote auf der Bürgermeisterbank will sie nichts wissen. „Natürlich stellt sich zuerst die Frage der Qualifikation“, und bei vergleichbarer Qualität könne man auch über eine Entscheidung zugunsten einer Bewerberin reden.

Ex-Fraktionschefin verweist auf leidvolle Erfahrung

Für die ehemalige Fraktionschefin Silvia Fischer steht der Fahrplan fest: Am Donnerstag werde sich die Fraktion nach der Vorstellung der Kollegen entscheiden, und zwar – Frauenfrage hin oder her – „für Peter Pätzold“, davon ist die Stadträtin überzeugt. Wichtig sei dann, dass die Partei den Sieger der Ausscheidung vorbehaltlos unterstütze, schließlich sei die Bewerbung externer Kandidaten möglich, wenn auch nicht aussichtsreich. Und aus leidvoller Erfahrung – sie erinnert an die Niederlage Wölfles gegen Isabel Fezer (FDP) im Kampf um den Posten des Sozialbürgermeisters – sei bei einer geheimen Wahl alles möglich.

Interessenten für die Fraktionsspitze

Pätzold liegt für sie „deutlich vorne“, Fischer räumt aber bei der Bewertung der Qualifikation in ihrer Fraktion „unterschiedliche Wahrnehmungen“ ein. Am Donnerstag müsse aber „deutlich herausgearbeitet werden, was es ausmacht, Bürgermeister in dem für die Grünen besonders wichtigen Baureferat zu sein“. Neben der fachlichen Qualität, die auch die Stadtplanerin Munk für sich reklamiert, könne Pätzold ein breites Wissen bei unzähligen Querschnittsthemen und eine hohe Akzeptanz bei den übrigen Fraktionen vorweisen. Er könne das Potenzial, dass das Amt biete, voll ausnutzen und auch auf allen politischen Feldern mitspielen.

Zwei Namen als neue Fraktionschefs bisher im Gespräch

Würde Pätzold gewählt, bräuchte die Fraktion männlichen Ersatz. Die Auswahl ist überschaubar, bisher ist nur Andreas Winter genannt worden. Nun heißt es aber bei den Grünen, Jochen Stopper, immerhin Sprecher im Verwaltungsausschuss und in der Lage, politisches Denken in die Fraktionsspitze zu tragen, habe auch Interesse angemeldet. Er arbeitet derzeit der Grünen-Landesvorsitzenden Thekla Walker zu. Die Ex-Stadträtin will sich übrigens nicht zu „Personalien der Stadt Stuttgart äußern und auch keine Beurteilungen abgeben“. Sie freue sich generell über jede Frau, die eine Spitzenposition besetze.