Mehr als nur nüchterne Kalkulationen: die Karlsruher IT-Firma Honestly will beim Crowdinvesting bis Ende April einen neuen Rekord aufstellen.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Ein erst im August 2012 gegründetes Start-up-Unternehmen aus Karlsruhe steht kurz davor, ein kleines Stück deutscher Finanzgeschichte zu schreiben. Die Firma Honestly ist eines der ersten Unternehmen, das in Deutschland schon zum zweiten Mal an die Internetgemeinde appelliert, um Kapital einzusammeln. Das Unternehmen hat eine Plattform für das mobile Internet entwickelt, über die Firmen datengeschützt mit ihren Kunden kommunizieren können. Nach 100 000 Euro in der ersten Runde im Jahr 2012 hat Honestly nun 400 000 Euro an Investorengeldern im Visier. Sollten bis zum Ende der Ausschreibungsfrist am 22. April mindestens 251 000 Euro zusammenkommen, wäre das neuer europäischer Rekord. Die Firma spricht auf ihrer Facebook-Fanseite ganz unbescheiden vom „größten Crowdfunding aller Zeiten“.

 

Bei Seedmatch, der Internetplattform, die sich Honestly für die Betreuung des Aufrufs ausgesucht hat, liegt die Mindesteinlage bei nur 250 Euro. Privatpersonen, die von der Geschäftsidee überzeugt sind, steigen aber auch mit viel höheren Beträgen ein.

Von einer noch niedrigen Basis aus, weist das Crowdinvesting in Deutschland zurzeit enorme Wachstumsraten auf. Laut Gründerplattform Für-Gründer-de wurde allein im vierten Quartal 2012 mit rund 1,6 Millionen Euro viermal so viel Geld eingesammelt wie im ganzen Jahr 2011. Insgesamt kamen 2012 so 4,7 Millionen Euro für 48 Start-up-Firmen zusammen. Neben dem 2011 gegründeten Marktführer Seedmatch und den Unternehmen Innovestment und Companisto gibt es laut Für-Gründer-de 13 weitere Finanzierungsplattformen, die das Geschäft aufgenommen haben oder bald starten werden.

Der Erfolg im ersten Anlauf, mit dem die Firma zwei Drittel ihres Kapitalbedarfs deckte, hat den Honestly-Gründer Mateo Freudenthal und seine Kollegen davon überzeugt, dass die Kollektivfinanzierung aus dem Internet das richtige Modell ist. Man habe zuerst konventionelle Investoren gesucht und habe sogar Finanzierungszusagen in der Tasche gehabt, sagt Freudenthal. Der Preis für diese Beteiligungen wären aber Abstriche an der unternehmerischen Freiheit gewesen. „Diese Investoren wollten Mitspracherechte und haben Bedingungen gestellt. Wir haben uns mit diesem Ansatz nicht wohlgefühlt“, sagt Freudenthal. Beim ersten Kontakt mit Seedmatch habe das „Bauchgefühl“ hingegen gestimmt – obwohl hier ebenfalls ein Auswahlverfahren gewährleistet, dass der Internetgemeinde nur Erfolg versprechende Unternehmen präsentiert werden.

Auch viele hilfreiche Tipps von den Investoren

Beim Crowdinvesting geht es aber um mehr als nur nüchterne Kalkulationen. „Die Investoren sind nicht nur Geldgeber, sondern Menschen, die ein enormes persönliches Interesse am Unternehmen haben“, sagt Freudenthal. Über Newsletter und Facebook-Updates haben die Geldgeber am Schicksal „ihres“ Unternehmens teil. Etwa 50 von seinen Investoren hat Freudenthal sogar bei verschiedenen Gelegenheiten persönlich kennengelernt. Die im Internet angesprochenen Investoren gäben auch viele hilfreiche Tipps: „Einer, der mit Großunternehmen vertraut ist, hat uns genau erklärt, welchen Weg wir gehen müssen und wie viel Zeit wir einplanen sollten, wenn wir mit der Firma ein Geschäft anbahnen wollen“, sagt der Honestly-Mitbegründer.

Der Pionier und deutsche Marktführer Seedmatch hatte lange Diskussionen mit dem Finanzaufseher Bafin, bevor die passende Rechtsform für das in Deutschland bisher unbekannte Finanzierungsmodell gefunden war. Als die Gesetze formuliert wurden, war das Internet nicht im Blick. Für Investoren und Unternehmen musste das Verfahren unkompliziert und rechtssicher sein. Es wäre etwa nicht praktikabel für eine neu gegründete Firma, wenn auf einmal Hunderte von Investoren auf Mitsprache pochen könnten. Auch teure gesetzliche Auflagen etwa zu Wertpapierprospekten sollten vermieden werden.

Begonnen hat Seedmatch mit der Rechtsform der stillen Beteiligung. Die Obergrenze, bis zu der hier ohne umständliche Berichtspflichten Kapital eingesammelt werden kann, liegt aber bei nur 100 000 Euro. Im vergangenen November schwenkte man deshalb auf die Beteiligungsform der sogenannten partiarischen Nachrangdarlehen um (siehe „Die Varianten . . .). Hier liegt die gesetzliche Höchstgrenze für das eingesammelte Kapital bei 250 000 Euro. Für die Bedürfnisse von neu gegründeten Firmen sei das in der Regel ausreichend, sagt eine Sprecherin von Seedmatch: „Auf unserem Wunschzettel für den Gesetzgeber stünde aber schon, diese Schwelle anzuheben.“ Die Karlsruher Firma Honestly, die nun die Marke von 400 000 Euro knacken will, nutzt eine großzügigere Regelung, die für Anschlussfinanzierungen gilt. „Dort gibt es keine solche Obergrenze“, heißt es bei Seedmatch.

Nach der Anschubfinanzierung sind Alternativen möglich

Um beiden Seiten Planungssicherheit zu geben, sind die Darlehen befristet und meist auf fünf bis sieben Jahre angelegt. Im günstigsten Fall partizipieren dann die Investoren in Form einer Bonuszahlung am Gewinn. Bei einer Insolvenz ist der Einsatz hingegen verloren – allerdings gibt es keine Verlustbeteiligung. „Bisher ist aber von den 28 von uns finanzierten Start-ups noch keines pleitegegangen“, sagt die Sprecherin von Seedmatch.

Für das geförderte Unternehmen hat die Befristung den Vorteil, dass man nach der Gründungsphase die Finanzierung auf andere Beine stellen kann. Finanzinvestoren interessieren sich für eine Beteiligung oft erst ab einer bestimmten Unternehmensgröße – die nach der Anschubfinanzierung aus dem Internet häufig erreicht ist. Das sei kein Problem, heißt es bei Seedmatch: „Wir sind vor allem Geburtshelfer.“