Könnte die Finanzspritze nicht auch eine Beihilfe darstellen, die von der EU-Kommission genehmigt werden müsste?, wird in Fachkreisen gefragt. Nein, sagt die Landesregierung, während sich Brüssel bedeckt hält.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Wenn es um den Energiekonzern EnBW geht, kann sich das Land eigentlich keine Irritationen mit Brüssel leisten. Im Schiedsverfahren gegen die Électricité de France (EdF) fordert die grün-rote Regierung schließlich gut 800 Millionen Euro mit einem europarechtlichen Argument zurück: Bei dem überhöhten Kaufpreis, den der frühere Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) den Franzosen gezahlt habe, handele es sich um eine verbotene Beihilfe. Deswegen sei gegen eine Klausel im Kaufvertrag verstoßen worden, nach der bei dem Milliardengeschäft alle nationalen und internationalen Regeln befolgt werden müssten.

 

Wie aber verhält es sich mit jenen 400 Millionen Euro, die das Land – ebenso wie die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) als zweiter Großaktionär – dieses Jahr der EnBW als Kapitalerhöhung zukommen ließen? Könnten die Finanzspritze nicht auch eine Beihilfe darstellen, wird in Fachkreisen gefragt, die von der EU-Kommission genehmigt werden müsste? Nein, sagt das Finanzministerium von Nils Schmid (SPD). Man habe „keine näheren Informationen“ dazu, lässt der EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia auf StZ-Anfrage ausrichten.

Kapitalerhöhung soll Spielraum für erneuerbare Energien bieten

Der Karlsruher Energiekonzern hatte die Kapitalerhöhung um insgesamt 822 Millionen Euro im Juli abgeschlossen. Mit dem Geld stärke man die Bonität des Unternehmens und gewinne Spielraum für erneuerbare Energien, hieß es damals. Für welche Projekte es genau verwendet werden solle, wurde nicht gesagt. Die neuen Stammaktien – 27 Millionen zum Preis von 30,90 Euro – konnten nur Altaktionäre erwerben. Neben Land und OEW mit je 400 Millionen beteiligten sich kommunale Energieverbände mit 22 Millionen Euro.

Beim Land, aber auch bei den oberschwäbischen Landkreisen war der Kapitalzufuhr ein längeres Ringen vorausgegangen. Die grün-rote Regierung erklärte sich erst bereit dazu, nachdem der Vorstandschef Hans-Peter Villis seinen Rückzug angekündigt hatte. Ein inhaltlicher Zusammenhang wurde offiziell zwar bestritten, intern bestand daran aber kein Zweifel. Die 400 Millionen Euro des Landes werden über eine vom Land garantierte Anleihe aufgebracht, bei den OEW bürgten die Landkreise für ein Darlehen.

Die Kapitalerhöhung gilt nicht als „Beihilfe im Sinne der EU“

Die Landesregierung hat eine mögliche Beihilfethematik nach Auskunft des Finanzministeriums im Blick gehabt. Im Auftrag der EnBW habe eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine „EU-rechtliche Beurteilung der Kapitalerhöhung“ vorgenommen. Maßstab sei der sogenannte Private-Investor-Test gewesen, also die Frage, ob auch ein privater Investor so viel Geld in das Unternehmen gegeben hätte. Das Ergebnis: die Kapitalerhöhung sei „zu marktüblichen Bedingungen erfolgt“ und somit keine Beihilfe im Sinne der EU. „Die Landesregierung teilt diese Einschätzung“, ließ Minister Schmid ausrichten; man habe den Vorgang daher „nicht der EU-Kommission vorgelegt“.

Entsprechend vage fällt die Antwort der Generaldirektion Wettbewerb auf eine StZ-Anfrage aus, wie der Vorgang bewertet werde. „Der Kommission liegen keine näheren Informationen zu der Kapitalerhöhung von EnBW vor“, teilte die Sprecherin des Kommissars Almunia mit. Abstrakt erläuterte sie, es spiele nach dem EU-Recht keine Rolle, ob ein Unternehmen im staatlichen (wie die EnBW) oder privaten Eigentum stehe. Prinzipiell stelle eine Kapitalerhöhung keine Beihilfe dar, wenn diese in einer Weise erfolge, „die auch aus Sicht eines privaten, unter normalen Marktbedingungen operierenden Investors akzeptabel wäre“. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn durch das zugeführte Kapital neuer Investitionsbedarf gedeckt werden solle, die Finanzlage des Unternehmens insgesamt gut sei und es in einem Sektor tätig sei, der „nicht durch strukturelle Überkapazität gekennzeichnet ist“.

Ein Indiz für Marktbedingungen könne insbesondere sein, „dass sich neben dem Staat auch andere Anteilseigner an einer Kapitalerhöhung beteiligen“. Dies ist bei der EnBW nahezu nicht der Fall, weil es neben dem Land und den kommunalen Aktionären nur einen minimalen Streubesitz privater Anteilseigner gibt.

Auf die Frage, ob die EU-Kommission in der Angelegenheit tätig werde, ging die Sprecherin nicht direkt ein. Klipp und klar antwortete dagegen das Stuttgarter Finanzministerium: Bisher habe man von Brüssel nichts gehört, und „das Land erwartet auch kein Tätigwerden“.