Kampf gegen die Zensur: Die Staatsgalerie Stuttgart zeigt die Grafikschau „Karikatur – Presse –Freiheit. Honoré Daumier und die französische Bildsatire“.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Welche berühmte Persönlichkeit wurde als Birne dargestellt? Helmut Kohl? Der zwar auch, aber lange vor ihm wurde schon ein anderer als Birne verspottet: der französische Bürgerkönig Louis-Philippe. Man musste nur die Löckchen auf dem fetten Schädel weglassen, die feisten Züge abschwächen, schon war das hämische Symbol des Herrschers skizziert – und handelte sich die französischen Satirezeitschrift „La Caricature“ neuen Ärger ein. Denn „Charlie Hebdo“ ist längst nicht das erste Satireblatt, das um seine Meinungsfreiheit ringt. Auch „La Caricature“ kämpfte tagtäglich gegen Angriffe und Zensur. Charles Philipon gründete 1830 in Paris die erste politisch-satirische Zeitung in Frankreich. Dem Volk gefiel’s, den Herrschern nicht. Die Auflage stieg rasch von 750 auf 2000 Exemplare, Philipon und seine Mitstreiter dagegen bekamen zahllose Prozesse an den Hals und mussten manche Haftstrafe wegen Majestätsbeleidigung verbüßen.

 

Die Staatsgalerie Stuttgart zeigt nun die Ausstellung „Karikatur – Presse –Freiheit. Honoré Daumier und die französische Bildsatire“, die von den Sanierungsmaßnahmen des Altbaus profitiert. Denn sie wird nicht im kleinen Grafik-Kabinett präsentiert, sondern im Erdgeschoss des Altbaus, wo dem Kurator Hans-Martin Kaulbach mehr Platz zur Verfügung steht. Den nutzt Kaulbach, um die spitze Feder vor allem Daumiers zu zeigen, der einer der wichtigen Zeichner von „La Caricature“ war. Er demontierte frech die Mächtigen und stellte zum Beispiel den König als gefräßigen Gargantua dar, einen riesigen Koloss, dem über eine Rampe die Gaben des Volkes ins Giermaul geschaufelt werden.

Kopf im Druckstock

In „La Caricature“ wurden tagespolitische Ereignisse aufgegriffen, aber häufig ging es auch um den ewigen Zankapfel Meinungsfreiheit und die Freiheit selbst. „Die Weißwäscher“ von 1832 zeigt Justizminister, Kriegsminister sowie den Oberstaatsanwalt Jean-Charles Persil, die aus der Trikolore die Farbe heraus waschen. Das Rot aber klebt wie Blut. Immer wieder wurde „La Caricature“ mit Bußgeldern abgestraft, man versuchte, die Redaktion zu gängeln. Jedes Exemplar musste nach einer Vorzensur einen Steuerstempel bekommen, der mit hohen Gebühren verbunden war. Aber Daumier und seine Kollegen ließen nicht nach, den Kampf um Freiheit zu thematisieren. „Aha, Du möchtest dich mit der Presse anlegen!“ heißt es auf einer Karikatur, in der ein Kopf im Druckstock eingequetscht wird.

1832 gründete Philipon auch noch die satirisch-literarische Tageszeitung „La Charivari“, die günstiger als „La Caricature“ war und sich mit populäreren Themen beschäftigte – etwa mit der Serie „Mieter und Vermieter“. Für die kopierte Daumier Spitzwegs „Armer Poet“ mit dem Kommentar „Ein Halunke von einem Hausbesitzer, der nur bei schönem Wetter Reparaturen durchführen lassen will!“ – denn der Mieter saß unterm Schirm im Bett. In „La Charivari“ wurde nun nicht mehr nur die Politik kritisiert, sondern auch das Volk. So hat Daumier einen ignoranten Passanten gezeichnet, der einer Bettlerin nichts geben will mit der Begründung: „Ich gebe nur für die Armen von Kamschatka.“