Seit sechs Jahren lebt Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in den USA. Zur deutschen Politik hat er dezidierte Ansichten.

New York - Ein Zehntagebart bedeckt Kinn und Wangen, das Gel ist aus dem Haar verschwunden, und der Teint wirkt deutlich dunkler, als man ihn in Erinnerung hat. „Ein Sonnenbrand“, sagt Karl-Theodor zu Guttenberg. „Den hab ich mir bei Mar-a-Lago geholt, aber nicht in Mar-a-Lago“, scherzt der ehemalige deutsche Verteidigungsminister in Anspielung auf den Luxusclub von US-Präsident Donald Trump in Florida.

 

Offiziell hat Guttenberg mit dem Politikerleben abgeschlossen, seit er vor sechs Jahren wegen der Plagiatsaffäre alle Ämter niederlegen musste, dann in die USA übersiedelte und dort eine florierende Beratungsfirma aufbaute. Trotzdem mehren sich die Spekulationen über eine mögliche Rückkehr des an der CSU-Basis beliebten 45-Jährigen in die deutsche Politik.

Spitzen gegen Donald Trump

„In meinem Herzen bin ich Europäer“, sagt Guttenberg. An diesem Abend redet er im 43. Stock eines Hochhauses in Manhattans Finanzdistrikt „als privater Bürger“ vor amerikanischen Teilnehmern des Arthur-F.-Burns-Journalistenaustauschprogramms über die transatlantischen Beziehungen unter der neuen US-Regierung. „Ich bin besorgter als je zuvor“, leitet Guttenberg seinen Vortrag ein. Aus seinem Befremden über die Inaugurationsrede des neuen US-Präsidenten macht er keinen Hehl. Auch an anderer Stelle habe Trump zu Europa „interessante Meinungen“ vertreten, „um es höflich zu sagen“, merkt der Ex-Minister spitz an. Das sei bei Vizepräsident Mike Pence auf der Münchner Sicherheitskonferenz zwar etwas beruhigender herübergekommen. Andererseits habe er aber das Gefühl gehabt, als habe der Gast „eine Rede aus der Schublade gezogen, die in Europa immer wirkt“, stichelt Guttenberg. Ohnehin wisse man nicht, auf wen Trump höre. Das klingt reichlich ernüchtert für einen überzeugten Transatlantiker und verbindet sich bei Guttenberg mit dem Appell, dass Europa sein Schicksal stärker selbst in die Hand nehmen müsse. „Bestenfalls birgt die Situation auch enorme Chancen, und Trump könnte Europa wieder groß machen“, argumentiert Guttenberg.

Lässig ruht eine Hand in der Tasche seiner modisch eng geschnittenen grauen Hose. Das blaue Jackett im Vintage-Look betont die Distanz zum Establishment. Der neue Guttenberg wirkt wie ein Start-up-Unternehmer, nicht mehr wie ein glatter Politkarrierist. Gleichwohl hat er das Berliner Geschehen offenkundig fest im Blick. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, führt der Redner aus, könne ohne diplomatische Rücksichtnahme gegen Trump und die USA wettern. „Ich will nicht ausschließen, dass im Bundestagswahlkampf auch antiamerikanische Ressentiments eine Rolle spielen“, warnt Guttenberg: „Es wird schwer sein für Angela Merkel, das zu kontern.“ Womit er bei der Kanzlerin wäre. Als Einzige in Europa könne sie Trump etwas entgegensetzen: „Aber das ist innenpolitisch vermintes Gelände. Sie könnte versucht sein, eine klare Positionierung hinauszuschieben.“

Für die Kanzlerin hält er eine Drei-Punkte-Agenda bereit

Nun ist der Privatmann aus Connecticut endgültig in den Niederungen der deutschen Politik angekommen. „Klar, strikt und hart in der Sprache“ müsse man auf Trumps regelmäßige Provokationen antworten, fordert er. Für die Bundeskanzlerin hält er eine Drei-Punkte-Agenda bereit: Sie solle Trumps europafeindlichen Vorstellungen offen entgegentreten, zugleich aber anerkennen, dass es nur ein Europa mit verschiedenen Geschwindigkeiten geben könne. Wichtig sei zweitens der Einsatz für den freien Handel, von dem Deutschlands Wohlstand abhänge: „Wir müssen unsere offenen Grenzen verteidigen.“ Schließlich müsse Deutschland außenpolitisch seine lange kultivierte Zurückhaltung endgültig aufgeben und die faktisch längst übernommene stärkere Verantwortung auch offensiv vertreten.

Grundsätzlich gehört für Guttenberg auch die von den USA geforderte Anhebung der deutschen Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts dazu. „Aber das wird schwierig in einem Wahljahr“, wirbt er vor dem amerikanischem Publikum um Verständnis: „Meine Botschaft an die USA ist: Erzeugt nicht zu viel Druck in den nächsten Monaten, denn das könnte Gegenreaktionen hervorrufen!“

Guttenberg scheint sich eingehende Gedanken über den bevorstehenden Bundestagswahlkampf gemacht zu haben. Das Magazin „Spiegel“ hatte berichtet, der Ex-Minister wolle für mehrere große CSU-Kundgebungen nach Bayern kommen. So könnte sich der 45-Jährige auch für ein erneutes Ministeramt empfehlen. Solche Spekulationen will Guttenberg auf keinen Fall befeuern. „Meine Töchter sind 14 und 15 und gehen hier zur Highschool“, wehrt er entsprechende Fragen ab.