Karlsruhe wartet immer noch auf die Fahrzeuge von Bombardier – die Zulassung der 30 neuen Stadtbahnen verzögert sich wegen technischer Probleme ein ums andere Mal. Verzögerungen gibt es auch in Heilbronn und Germersheim.

Karlsruhe - In den Pfingstferien konnten die Karlsruher die neuen Stadtbahnen des Herstellers Bombardier testen. Ein halbes Dutzend der optisch ansprechenden Fahrzeuge war für einen Pendelverkehr zur Innenstadt eingesetzt worden – Folge des Tunnelbaus im Zentrum. Doch so richtig im Einsatz sind die Bahnen noch nicht, denn auch zwei Jahre nach Auslieferung wartet man in Karlsruhe weiter sehnlichst auf deren Zulassung.

 

Fast 260 elektrisch betriebene Schienenfahrzeuge haben die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) und das zweite städtische Tochterunternehmen, die Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG) im Nordwesten des Landes im Einsatz. 100 davon sind so genannte Zweisystemwagen, die sowohl Straßenbahn- als auch Eisenbahntrassen befahren können. Die 30 neuen Bahnen von Bombardier werden dringend benötigt.

Der geplante Vollbetrieb wurde mehrfach verschoben

Christian Höglmeier, der technische Geschäftsführer der AVG, sah bereits im Februar den geplanten Vollbetrieb auf Heilbronner Streckenabschnitten in Frage gestellt. Allein für die Trasse Heilbronn Nord wären schon im Juni 15 der neuen Zweisystem-Stadtbahnwagen vorgesehen gewesen. Die Inbetriebnahme der Strecke nach Neckarsulm, verbunden mit einer Erweiterung des Taktverkehrs, musste verschoben werden. Auch auf neuen Trassen ins südpfälzische Germersheim waren zusätzliche Fahrzeuge fest eingeplant.

Vor zwei Wochen gab nun die AVG bekannt, dass sieben Fahrzeuge für den Eisenbahnbetrieb zugelassen seien – mit der Einschränkung: „vorläufig“. Bis Dezember müssen noch weitere Nachweise gebracht werden. Bei den Technikern der Verkehrsbetriebe ist die Anspannung regelrecht zu spüren. Erst im März hatte der Hersteller die für die Prüfungen des Eisenbahnbundesamtes (EBA) notwendigen Dokumentationen übergeben – anderthalb Jahre nach Auslieferung der Fahrzeuge. Bei den neuen Bahnen scheint es hinten und vorne zu klemmen. Der Projektleiter der AVG listete in einem hausinternen Vortrag kürzlich zahlreiche Mängel auf.

Antrieb und Türöffnungsmechanismus machen Probleme

Technikchef Höglmeier räumte auf Nachfrage zudem ein, dass wichtige Teile gewechselt wurden. „Bei den Motoren hat der Hersteller auf dem Prüfstand technische Probleme festgestellt, und sie deshalb getauscht“, teilt er mit. Schon die Antriebsmaschine hat demnach mehr als nur Kinderkrankheiten. Auch mit den Türöffnungen hatten die Ingenieure erhebliche Probleme: obwohl nach neuen DIN-Standards gefertigt, dauerten die Öffnungs- und Schließvorgänge beim Ein- und Ausstieg etwa doppelt so lang wie bei bisherigen Fahrzeugen. Das würde erhebliche Probleme bei Einhaltung des Fahrplans nach sich ziehen. „Die sequenziellen Abläufe dauern vier bis fünf Sekunden länger als bei Bahnen im Bestand“, behauptet jetzt die AVG. Eigene Testmessungen dieser Zeitung zeigten noch bis zu 20 Sekunden Unterschied. Die Liste der Mängel könnte fast endlos fortgesetzt werden – Probleme mit Steuerungssoftware konnten jene Karlsruher hautnah erleben, die an Pfingsten die Pendelzüge nutzten. Ruppig und ruckartig waren Anfahrts- und Bremsvorgänge, was offenbar nicht an den Fahrern lag. Anfangs konnte wegen Softwareproblemen auch lange nicht im Zweierverbund gekuppelt werden. Beobachter vor Ort schüttelten angesichts der Mängel den Kopf.

Der Projektleiter für die Inbetriebnahme der Fahrzeuge im regulären Stadtbahnbetrieb kündigte jetzt an, man wolle noch im Herbst „die Vollzulassung erreichen“. Ob das klappt, ist fraglich. Die Fahrzeuge waren 2009 bestellt worden, die für 2012 zugesagte Auslieferung und Betriebszulassung hat sich mehrfach verzögert. Wann die neuen Bahnen auch auf den Streckenabschnitten bei Heilbronn, Sinsheim und Neckarsulm eingesetzt werden können, ist derzeit nicht fest planbar. Die Fahrzeuge von Bombardier sollten auch die ersten tunneltauglichen Stadtbahnen im Verkehrsverbund sein.

Die Organisation der Karlsruher Verkehrsbetriebe

Die nach 1992 Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) und die Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG) verfügen über mehr als 260 elektrisch betriebene Schienenfahrzeuge. Von den Zweisystem-Wagen sind derzeit, wie es im Geschäftsbericht für 2012 heißt, bei den VBK 17 und bei den in insgesamt zehn Landkreise verkehrenden AVG-Wagen 100 Fahrzeuge im Einsatz. Plus die Zahl x, der noch nicht zugelassenen, neuen Stadtbahnen „Flexity Swift“ von Bombardier.

Nach dem Ausscheiden des Alleingeschäftsführers Walter Casazza haben die Verkehrsbetriebe jetzt eine Doppelspitze. Alexander Pischon, der von der DB Region Rhein-Neckar kommt, ist seit Juli kaufmännischer Geschäftsführer der beiden städtischen Tochterunternehmen VBK und AVG, und zugleich alleiniger Chef des Verkehrsverbunds KVV. Ascan Egerer wird zum 1. August die technische Geschäftsführung der beiden Unternehmen übernehmen. Er war bisher Betriebsleiter der S-Bahn-Verkehre in Hannover. Die Verkehrsbetriebe Karlsruhe gelten als Kernstück. Auch die Albtal-Verkehrsgesellschaft ist hundertprozentige Tochter einer städtischen Holding.