Die „Black-Box“ im Karlsruher Hardtwald ist ein gigantisches Atommüll-Lager. Seit rund 25 Jahren werden Reaktoren „zurückgebaut“ – die Kritik am Tempo wächst.

Karlsruhe - Zehntausende Fässer höchstgefährlichen Inhalts – das ist es, was am Ende von einer Vision der sauberen Energie übrig bleibt. Knapp 80 000 von ihnen lagern bisher im Hardtwald auf dem Campus Nord des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Die gelben Fässer mit dem Signet „Achtung Strahlung“ sind mit dem Müll der Reaktoren gefüllt, die seit 1956 im Karlsruher Forschungszentrum gebaut worden sind. Dort stand Deutschlands erster Atomreaktor für Versuchszwecke. Die Wiederaufarbeitungsanlage und der Schnelle Brüter kamen in den 70er Jahren hinzu. Vier Reaktoren waren es am Ende, seit 1991 wird zurückgebaut.

 

Seither wächst im Hardtwald ein gigantisches Atommülllager heran. Und die Kritik am Rückbauprozess nimmt zu. Nicht nur Kostensteigerungen sind der Anlass – fünf Milliarden Euro wird der Rückbau wohl kosten –, auch ein Ende der Arbeiten rückt in ferne Zukunft. War ursprünglich für die beiden größten Reaktoren, die Wiederaufarbeitungsanlage und den Schnellen Brüter, ein Rückbau bis 2023 anvisiert, lautet der offizielle Termin für den Abschluss nun 2063. Dies bestätigt in Interviews die Betriebsleitung des Entsorgungswerks für Nuklearanlagen (EWN), der Muttergesellschaft der KTE.

Nun hat sich auch die Karlsruher Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl eingeschaltet, die atompolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Sie wollte wissen, welche Mengen des Karlsruher Atommülls bereits für die Endlagerung im geplanten Schacht Konrad vorbereitet seien. Die Antwort scheint Kotting-Uhl überrascht zu haben. Noch „kein einziges Gebinde“ aus Karlsruhe habe jetzt schon die Freigabe zur Endlagerung, hieß es in einem Schreiben der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, der Waldshuter SPD-Bundestagsabgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter.

Grüne Abgeordnete Kotting-Uhl beklagt Intransparenz

Kotting-Uhl schimpft: In Karlsruhe habe „jahrzehntelanger Atomfilz zwischen Staat, Forschung und Industrie“ zu Problemen geführt. Verschleppte Risiken und Kostenexplosionen habe es gegeben, „weil Intransparenz herrschte“. Auch die EWN tendiere „immer wieder zum Geschäftemachen und zu Billiglösungen“. Die Firma mit Sitz in Greifswald, die auch die Atomkraftwerke Greifswald/Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern und Rheinsberg in Brandenburg abbaut, müsse mit Karlsruhes Atommüll „schneller vorankommen“.

Mit Kotting-Uhls Anfragen wurde offiziell bestätigt, dass ausgerechnet Siemens – also eine private Firma – erstmals überhaupt eine größere Menge nuklearer Abfälle „fertig konfektioniert“ für die Endlagerung in Schacht Konrad bereitstellte: Am 25. September 2014 wurden 541 sogenannte Konrad-Container mit Atommüll aus dem ehemaligen Siemens-Brennelementewerk im hessischen Hanau „freigegeben“. Dabei handelt es sich laut den Recherchen unserer Zeitung um 2921 Kubikmeter Abfälle aus dem 1995 aufgegebenen Betrieb – und den bereits 2005 in Hanau abgeschlossenen Rückbauarbeiten.

Ein Teil dieses in Containern verpackten Atommülls lagert seit der Freigabe im Karlsruher Hardtwald. Dort aber ist man noch längst nicht so weit. Zwar hat man in Karlsruhe selbst einen Teil der nuklearen Reststoffe bereits entsorgt, aber im Endeffekt nur verfrachtet: 60 000 Liter hochradioaktive Flüssigabfälle wurden von September 2009 bis November 2010 im Hardtwald bearbeitet und im Februar 2011 in Castor-Behältern nach Lubmin gebracht. Beobachter sprechen von einem großen Verschiebebahnhof.

Seit der Anfrage von Kotting-Uhl zeigt sich auch die Rückbaugesellschaft im Hardtwald etwas offener. Ende vorigen Jahres lagerten jene 77 500 gelben Atommüllfässer in 12 850 eigens für die Endlagerung hergestellten Konrad-Containern, die durchschnittlich jeweils sieben Kubikmeter aufnehmen können. Dazu kommen weitere 1600 Stahlcontainer und Abschirmungen, in die Bauschutt und Gebäudekomponenten „direkt verpackt“ sind. Der größere Teil der schwach radioaktiven Abfälle lagert in einer rund 100 Meter langen Halle. „Von den 77 500 Fässern sind etwa 68 500 noch nicht mit Beton in den Behältern vergossen und werden bis zur Abgabe an das Endlager routinemäßig auf Korrosionsschäden überprüft“, sagte ein Sprecher der KTE im Hardtwald. Das klingt ein wenig nach einer unendlichen Geschichte.

Zumindest Sylvia Kotting-Uhl ist angesichts des vor Jahren schon im hessischen Hanau abgeschlossenen Rückbaus des ehemaligen Siemens-Brennelementewerks überzeugt: „Wenn ein Betreiber den Rückbau und die Atommüllabwicklung wirklich will, kann es schnell gehen.“