StZ-Journalisten erinnern in loser Folge an ihren fast in der Versenkung verschwundenen Lieblingsverein. Diesmal ist Ingmar Volkmann dran: Das Herz des Redakteurs aus dem Ressort Lokales schlägt für Karlsruhe.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Der englische Fußballphilosoph Nick Hornby sagt: „Seinen Verein kann man sich nicht aussuchen, der Verein sucht dich aus.“ Bei mir war es Onkel Wolfgang. Der lebt in der Karlsruher Waldstadt. Weht der Wind aus der richtigen Richtung, hört er auf seinem Balkon die Fangesänge aus dem Wildparkstadion. Also brachte mich Onkel W. mit dem KSC zusammen. Ich fand das gut. Von meiner Heimat Pforzheim, der Betonstadt, die sich aus Gründen der Selbstironie Goldstadt nennt, war es nicht weit zu den Heimspielen.

 

Zu Beginn der Pubertät übernahm der Verein eine wichtige Erziehungsfunktion für mich. Die drei schönsten Buchstaben im deutschen Fußball führten mich sehr lebensnah in menschliche Körperfunktionen ein: Der KSC zeigte mir die kausale Verbindung zwischen Bierkonsum und Blasenfunktion auf. Bei einer Fahrt zum Auswärtsspiel in Duisburg versuchte der Kuttenträger „Kaiser“ seinen Harndrang von seinem Sitzplatz aus in einer leeren Bierflasche unterzubringen. Der Rest der Busfahrt wurde zu einem hygienischen Abenteuer. Darüber hinaus bildete mich der KSC musikalisch fort: Das One-Hit-Wonder Sergej Kirjakow ließ sich herrlich auf die Melodie von „Vamos a la playa“ besingen. Mit dem eigenen Ruf als „Halbfranzosen“ wurde durch den gesungenen Sprachkurs „Allez les bleus, les blancs“ geschickt kokettiert. Und kürzlich war ich Teil des musikhistorischen Moments, als Tony Marshall das Badnerlied vor dem Pokalspiel gegen Freiburg trällerte. Es war ergreifend.

Als KSC-Fan muss man sich am VfB abarbeiten

Entscheidend für den Einfluss meines Vereins auf meine Entwicklung war aber das Personal. Die Jugend eines Bayern-Fans prägen Beckenbauer oder Ballack, mein Heranwachsen wurde überschattet von Gunther Metz, „Euro-Eddy“ Schmitt und Winfried Schäfer. In der Rückschau finde ich es unbegreiflich, dass der Ex-Gemeinderat aus Ettlingen so lange Erfolg mit dem KSC haben konnte. Später zeigte Schäfer bei Tennis Borussia Berlin und beim FK Baku in Aserbaidschan schließlich, was für ein Konzepttrainer er ist.

Als KSC-Fan muss man sich ja eigentlich am VfB abarbeiten. Aus dem Alter bin ich aber raus. Das liegt zum einen an einem Auswärtsspiel des KSC in der Saison 2008/09 in Stuttgart. Zum ersten Mal hörten sich die poetischen „Stuttgarter Arschlöcher“-Rufe (Silbe für Silbe bitte einzeln betonen) irgendwie falsch an. Das mag auch daran gelegen haben, dass direkt vor meiner Nase ein ulkiger Ultra 25 Minuten lang damit beschäftigt war, seinen Hartschalensitz aus der Verankerung zu reißen. So eine rote Schale macht sich eben in jedem Wohnzimmer gut. Vor allem aber wohne ich nun seit Jahren in der einst verbotenen Stadt und bin einigermaßen integriert.

Mein Verein ist der einzige Seggel im deutschen Profifußball

Zum anderen hege ich inzwischen eine leichte Sympathie für den VfB. Das liegt an meiner besten Fußballfreundin J., die mich aus Mitleid manchmal mit nach Cannstatt nimmt. Bei einem dortigen Stadionbesuch halte ich mich zurück: Wenn man in Stuttgart eine Vorliebe zum KSC öffentlich verkündet, wird man im besten Fall angesehen wie Rainer Brüderle beim Dirndl-Check.

Dabei habe ich mit VfB-Fans weniger Probleme als mit den Anhängern des 1. FC Nürnberg. Die werde ich irgendwann wegen Falschaussage verklagen. Die Franken behaupten nämlich, ihr Club sei ein Depp. Das stimmt nicht. Mein Verein ist aus den genannten Gründen der einzige Seggel im deutschen Profifußball. So gesehen hat Nick Hornby womöglich doch recht: Onkel Wolfgang ist gar nicht schuld. Der KSC wird sich schon etwas dabei gedacht haben, als er ausgerechnet mich ausgesucht hat.