Früher war er eher gegen Rotoren und Staatsbürgschaften. Heute kämpft der ehemalige FDP-Minister Walter Döring für beides.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)
Wolfschlugen - Es war der erste gemeinsame Auftritt des früheren und des amtierenden Wirtschaftsministers. Seit seinem Rücktritt vor sechs Jahren hatte Walter Döring jedes offizielle Zusammentreffen mit Ernst Pfister vermieden; er wollte sich wohl den Schmerz und seinem Nachfolger den Vergleich ersparen. Nun aber saßen die beiden Liberalen nebeneinander bei einer Pressekonferenz der Börse Stuttgart, die ein neues Handelssegment für Unternehmensanleihen präsentierte - Pfister als Vertreter der Landesregierung, Döring als Aufsichtsratsvorsitzender der Windreich AG. "Vielen Dank, Herr Minister", sagte der Exminister artig, als ihm das Wort erteilt wurde, die Formulierung "wie Minister Pfister ausgeführt hat" kam ihm ohne erkennbare Wehmut über die Lippen.

Seine Parteifreunde von einst trifft Döring (56) derzeit wieder öfter. Drei Monate zuvor durfte er bei der Liberalenfraktion im Europaparlament ein Großprojekt seiner Windkraftfirma vorstellen. Moderiert wurde das "Seminar" vom Europaabgeordneten Michael Theurer, den er einst maßgeblich als Wirtschaftsminister verhindert hatte. Lobende Worte fand auch die Parlamentsvizepräsidentin Silvana Koch-Mehrin, deren Aufstieg er nach Kräften gefördert hatte. Wenige Wochen nach der Premiere bei der Börse kreuzten sich Dörings und Pfisters Wege schon wieder: Beim Branchentag Windkraft, hieß es in der Pressemitteilung, zogen die beiden "an einem Strang". Die Windreich AG war einer der Sponsoren des Fachkongresses.

Hinein in ganz neue Dimensionen


Seit Jahresbeginn führt Döring den Aufsichtsrat der Unternehmensgruppe mit Sitz in Wolfschlugen, die im zukunftsträchtigen Windkraftmarkt ganz vorne mitmischen will. Sein Geld hat der Gründer Willi Balz, ein umtriebiger Geschäftsmann, mit Wohn- und Gewerbeimmobilien gemacht. Daneben setzte er schon früh auf Windenergie, beteiligte sich an bestehenden Firmen wie dem ältesten deutschen Rotorenhersteller und gründete neue. Etliche hundert Anlagen hat man bereits gebaut, vorwiegend an Land. Nun will Windreich an der Nordseeküste in ganz neue Dimensionen vorstoßen: Geplant sind zwei große Offshorewindparks mit insgesamt 160 Kraftwerken, die einst mehr als zwei Millionen Menschen mit umweltfreundlich erzeugtem Strom versorgen soll. Die Baugenehmigung für das erste Projekt mit einem Investitionsvolumen von mehr als 1,5 Milliarden Euro liegt vor, 2012 soll es losgehen.

Döring lernte Balz vor zwei Jahren kennen und diente ihm zunächst als Berater. Dann kam das Angebot, doch an die Spitze des - auch sonst hochkarätig besetzten - Aufsichtsrates zu rücken. Sein Vize dort ist der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Hans-Jörg Bullinger, in dem Gremium sitzt auch der Chef des Esslinger Hightechunternehmens Festo und Kovorsitzende des baden-württembergischen Innovationsrates, Eberhard Veit.

Der Exminister als Windkraftlobbyist -das ist gleich in zweierlei Hinsicht eine hübsche Pointe. In der Landespolitik hatte Döring einst den Beinamen "Windmaschine", weil er auch aus geringfügigem Anlass einen beachtlichen medialen Wirbel zu entfachen wusste. Insofern, stichelten Parteifreunde, passe die Branche gut zu ihm. Andererseits profilierte sich der Liberale früher nicht gerade als Förderer der Windkraft. In der TV-Serie "Die Fallers" weihte er zwar mal werbewirksam einen Rotor ein. Aber im politischen Alltag bekämpfte er gemeinsam mit Erwin Teufel die "Verspargelung" der Landschaft. Er war gewissermaßen der liberale Sancho Pansa, der mit dem "Don Quichotte" von der CDU gegen Windmühlen anrannte.