Fünf deutsche Autohersteller sollen gegen das Kartellrecht verstoßen haben. Der Stuttgarter Rechtsanwalt und Kartellexperte K. Peter Mailänder sieht enge Grenzen für eine legale Kooperation großer Unternehmen.

Stuttgart - Der Stuttgarter Rechtsanwalt und Kartellexperte K. Peter Mailänder sieht enge Grenzen für eine legale Kooperation großer Unternehmen.

 
Herr Mailänder, wann ist eine Zusammenarbeit von Unternehmen – zum Beispiel in der Autoindustrie – eine unzulässige Absprache, auch wenn es da nur um die Technik geht und nicht um Preise und andere Konditionen?
Grundsätzlich ist jede Absprache verboten, die den Zweck oder das Ergebnis hat, den Wettbewerb zu beschränken. Das kann auch die Technik betreffen.
Gilt das Verbot auch dann, wenn man eine Absprache beim Bundeskartellamt anmeldet?
Absprachen kann man gar nicht anmelden. Früher konnte man sich im Rahmen der Anmeldung die Freistellung einer solchen Absprache holen. Heute dürfen Sie noch nicht einmal das. Das würde vom Kartellamt zurückgeschickt werden. Anstelle dessen gibt es unter anderem im europäischen Recht eine Reihe von Gruppenfreistellungsverordnungen, die eine Absprache im Rahmen enger Voraussetzungen vom Kartellverbot freistellen. Das gibt es etwa bei Forschung und Entwicklung, also eine Freistellung für das gemeinsame Hinwirken auf technischen Fortschritt. Voraussetzung ist, dass davon auch die Verbraucher Vorteile haben. Und – das ist das Schwierigste – die Absprache muss unerlässlich sein, den Fortschritt zu erreichen. Wenn sich zwei Großunternehmen zusammentun, müssen sie nachweisen, dass sie alleine überfordert wären. Zudem müssen die Ergebnisse für jeden Beteiligten zur Verwendung frei sein. Diese darf nicht eingeschränkt sein.

Häufig erstatten Konkurrenten Anzeige

Wer entscheidet darüber, ob das Ergebnis dieser Zusammenarbeit zum Vorteil des Verbrauchers ist?
In erster Linie wacht der Wettbewerb darüber. Häufig sind es die Konkurrenten, die hinter solche Absprachen kommen und Anzeige erstatten. Im Grundsatz ist es eine Frage der Selbstveranlagung der Unternehmen. Diese müssen sich darüber klar werden, ob sie im freigestellten Bereich tätig sind. Wenn es schiefgeht, haben diese Unternehmen gegenüber den Behörden und im Zweifel den Gerichten die Beweislast.
Unternehmen sagen oft, es gebe einen sogenannten vor-wettbewerblichen Bereich, in dem Absprachen nicht zu beanstanden seien. Stimmt das aus kartellrechtlicher Sicht?
Nein, nicht in dieser allgemeinen Form. Es gibt als Ausnahme typische Wettbewerbsbeschränkungen, die mit unserem Wirtschaftssystem zusammenhängen. Nehmen Sie den Genossenschaftsbereich. Da machen sich zum Beispiel benachbarte Genossenschaftsbanken keine Konkurrenz.
In der Vergangenheit sind technische Kooperationen der Autohersteller in der Öffentlichkeit grundsätzlich positiv beurteilt worden. Ist der Dieselskandal der Grund dafür, dass sich das geändert hat?
Nein. Die Beurteilung ging in der Öffentlichkeit und bei den Kartellbehörden schon immer auseinander.

Strenges Kartellrecht

Ist es denkbar, dass eine Zusammenarbeit nach deutschen Gepflogenheiten in Ordnung ist, zum Beispiel in den USA aber als verbotenes Kartell gilt?
Theoretisch ja, praktisch nein. Das deutsche und das europäische Kartellrecht sind heute die strengsten Ordnungen zur Erhaltung des Wettbewerbs, strenger auch als in den USA. Ein Kartell, das in Deutschland verboten wird, kann allenfalls in den USA als vernünftig geduldet werden, nicht umgekehrt.
Dürfen die Kooperationspartner einen anderen Anbieter ohne Begründung ausschließen ?
Die Partnerwahl ist frei. Der Ausschluss von Dritten darf aber nicht ohne sachlichen Grund abgesprochen werden. Natürlich kann ein Dritter ausgeschlossen werden, wenn er zum Beispiel in der Forschungskooperation nichts beitragen kann. Bei marktmächtigen Partnern steht das Diskriminierungs- oder das Boykottverbot einem Ausschluss entgegen.
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