Jahrelang haben Lieferanten der Bahn – von Bierbrauern bis zu Schienenherstellern – ihren Großkunden mithilfe von Preisabsprachen geprellt. Auch dank neuer EU-Richtlinien schlägt die Deutsche Bahn nun massiv zurück.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Deutsche Bahn geht massiv gegen Kartellbetrüger vor und hofft auf Milliardeneinnahmen durch Schadenersatzklagen gegen zahlreiche Unternehmen. Derzeit laufen Verfahren gegen 20 Unternehmen. Weitere 65 Ansprüche gegen Firmen, die an unzulässigen Absprachen beteiligt waren, werden nach Angaben der zuständigen DB-Abteilung Kartellschadenersatz aktuell geprüft. Insgesamt fordert die Bahn die riesige Summe rund 3 Milliarden Euro von betrügerischen Lieferanten zurück.

 

Der neueste Fall ist das Bier-Kartell. „Wir prüfen hier aktuell die Ansprüche auf Schadenersatz gegen zwei Bierhersteller", bestätigte ein Bahnsprecher. Die Bahn verkauft in ihren Fernverkehrszügen pro Jahr rund 60 000 Hektoliter Bier und sieht sich durch die überhöhten Preise geschädigt. Das Kartellamt hat elf Bierhersteller voriges Jahr wegen verbotener Absprachen unter Wettbewerbern zu 338 Millionen Euro Bußgeld verurteilt, darunter Bitburger, Radeberger, Carlsberg, Veltins und Krombacher.

Auch gegen wegen verbotener Absprachen verurteilte Wurst-  und Zuckerlieferanten prüft die Bahn derzeit Ansprüche. Die Kartellbehörde hatte voriges Jahr 21 Wursthersteller zu 338 Millionen Euro  Bußgeld und drei Zuckerkonzerne zu 280 Millionen Euro Strafe verurteilt. Einen Erfolg hat der Konzern bereits im Streit mit dem Kaffee-Kartell zu verzeichnen, in dem alle großen Röster mehr als ein Jahrzehnt lang die Preise abgesprochen hatten. Die Unternehmen wurden zu Geldbußen verurteilt, einige haben sich beim Schadenersatz inzwischen mit der Bahn geeinigt.  

Das Luftfracht-Kartell ist die größte Baustelle

Mit Abstand größter Fall ist bisher allerdings das bereits 2006 aufgeflogene Luftfracht-Kartell, in dem rund 20 Airlines mindestens sieben Jahre Preiszuschläge zum Beispiel für Kerosin abgesprochen haben. Den Schaden, den die Logistik- und Luftfrachttochter DB Schenker durch die verbotenen Absprachen erlitten hat, veranschlagt der Konzern auf 2,1 Milliarden Euro. Seit Ende vorigen Jahren fordert die Bahn deshalb vor dem Landgericht  Köln fast 1,8 Milliarden Euro Schadenersatz inklusive Zinsen von mehreren Airlines, darunter Lufthansa und British Airways.

Weitere 300 Millionen Euro will der Konzern in dieser Sache durch Klagen in den USA gegen dortige Flugverkehrsgesellschaften eintreiben. Die Chancen, dass die Beklagten zumindest einen Teil des Schaden begleichen, werden bei der Bahn als sehr gut eingeschätzt. Denn die Kartellverstöße sind in allen Fällen unstrittig und bereits rechtswirksam bestraft. So mussten die Airlines an die EU-Kartellbehörden rund 800 Millionen Euro Strafe zahlen und in den USA sogar zusammen rund 1,5 Milliarden Euro.

  Bereits beim Schienen-Kartell hatte die Deutsche Bahn mit ihren Zivilklagen Erfolg, nachdem das Kartellamt rund 30 Stahllieferanten wegen jahrelanger illegaler Absprachen zu Rekordstrafen von insgesamt fast 135 Millionen Euro verurteilt hatte. Mit Thyssen-Krupp und Voestalpine schlossen inzwischen zwei führende Beteiligte des Kartells außergerichtliche Vergleiche mit der Bahn und zahlten hohe Entschädigungen. Allein von Thyssen-Krupp hatte die Bahn vor Gericht mehr als 400 Millionen Euro Schadenersatz gefordert. Die noch offenen Zivilklagen gegen die übrigen Unternehmen belaufen sich auf einen weiteren dreistelligen Millionenbetrag.

  Die Kartellstrafen haben sich in den letzten Jahren vervielfacht. Voriges Jahr verhängte das Bundeskartellamt wegen verbotener Absprache insgesamt Bußgelder von mehr als einer Milliarde Euro, so viel wie noch nie und fast vier Mal mehr als im Durchschnitt der Jahre zuvor. Immer mehr Betrügereien fliegen durch die zur Jahrtausendwende eingeführte und 2006 verschärfte Kronzeugenregelung auf. Dadurch bleiben Beteiligte, die ein Kartell aufdecken und den Behörden melden, straffrei oder werden weniger hart bestraft.

Beim Schienen-Kartell nutzte Voestalpine diese Regelung und packte aus. Beim Luftfracht-Kartell war es die Lufthansa, die so von Bußgeldern verschont blieb. Allerdings will die Bahn als Kartellopfer auch von der Lufthansa den Schaden ersetzt haben und hat die Fluglinie ebenso verklagt wie die übrigen Airlines. Künftig verbessert sich für Unternehmen, die von Kartellen geprellt wurden, die Chance, Schadenersatz durchzusetzen. Nach einer Ende 2014 verabschiedeten EU-Richtlinie (2014/104/EU) wird die Verjährungsfrist von drei auf fünf Jahre verlängert. Zudem hat künftig der Kartellbetrüger und nicht mehr das Opfer die Beweislast.