Mehrere Anwaltskanzleien haben wegen des Lkw-Kartells Klage gegen die betroffenen Nutzfahrzeug-Hersteller angekündigt – darunter auch gegen Daimler.

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

Stuttgart - Speditionen aus ganz Deutschland wollen Schadensersatz von Daimler und anderen Lkw-Herstellern, die wegen Verstößen gegen Kartellgesetze zu Bußgeldern verdonnert wurden. Das teilte die Bremer Kanzlei KWAG mit. Um die Schadenersatzansprüche durchzusetzen, hätten sich mehrere Kanzleien zur „Anwaltskooperation Lkw-Kartell“ zusammengeschlossen und bündelten ihre Kompetenzen bezüglich Schadenersatz bei Massenverfahren, Kartellrecht und Transportrecht. Die Anwaltskooperation werde bald schon erste Klagen gegen die betroffenen Lkw-Hersteller einreichen, sagte KWAG-Rechtsanwalt Jens-Peter Gieschen. Bei Daimler hieß es dazu auf Anfrage unserer Zeitung: „Das Unternehmen wird eventuell geltend gemachte Schadenersatzforderungen sorgfältig prüfen.“ Näher wollte sich der Autobauer dazu nicht äußern.

 

Neue EU-Richtlinie könnte für Lkw-Hersteller unangenehm werden

Eine Klage scheint auf Grund einer neuen EU-Richtlinie, die der deutsche Gesetzgeber bis Ende 2016 umsetzen muss, nicht aussichtslos. Danach könnten Kartell-Geschädigte einfacher Schadenersatz bekommen. Betroffenen Unternehmen soll beispielsweise ein Recht auf Akteneinsicht gewährt werden. Bislang können Unternehmen häufig nur schwer beweisen, dass sie Opfer eines Kartells sind und in welcher Höhe sie einen Schaden erlitten haben. Künftig ist das anders, wenn die Vermutung aufgestellt wird, dass Preisabsprachen einen Schaden verursacht haben und nun die Mitglieder des Kartells das Gegenteil beweisen müssen. Damit wird der Spieß also umgedreht.

„In der Zeit zwischen 1997 und 2011 sind durch die illegalen Preisabsprachen unzählige Kunden geschädigt worden, weil die Hersteller sich dadurch einer Konkurrenzsituation entzogen haben, die für Käufer von Vorteil gewesen wäre, “ sagt Rechtsanwalt Gieschen. Wer in der fraglichen Zeit einen Lkw der betroffenen Marken gekauft oder geleast hat, könne deshalb Schadensersatz einfordern. Daimler, DAF, Iveco und Volvo/Renault hatten jahrelang illegale Preisabsprachen getroffen. Dafür hat sie die EU-Kommission mit einer Rekordbuße von insgesamt fast drei Milliarden Euro bestraft. Die höchste Einzelstrafe entfiel mit einer Milliarde Euro auf Daimler.

Die kooperierenden Anwälte sind sich zwar einig, dass man außergerichtliche Einigungen mit den Lkw-Herstellern erzielen wolle, allerdings wolle man die Ernsthaftigkeit des Anliegens mit einzelnen Klagen unter Beweis stellen, sagte Gieschen. Der einklagbare Ersatzanspruch werde sich etwa im Rahmen der Schätzung für das Bußgeld bewegen, sagte er.

Überhöhte Kaufpreise bis zu 20 Prozent

Bei der Festsetzung der Höhe der Bußgelder war die EU-Kommission davon ausgegangen, dass durch die Absprachen der Kaufpreis der betroffenen Lkw zwischen zehn bis 20 Prozent überhöht ausfiel. Kunden könnten demnach zehn bis 20 Prozent des Kaufpreises zurückverlangen, rechnet Gieschen vor. Bei Neupreisen von zum Teil deutlich mehr als 100 000 Euro würden auf die Hersteller erhebliche Forderungen zukommen. Die Ansprüche betreffen laut Gieschen auch Leasing-Lkw. „Denn auch die Leasingraten sind höher ausgefallen, als es eigentlich erforderlich gewesen wäre.“ Eine Verjährung ist nach Ansicht des Bremer Rechtsanwaltes bislang nicht eingetreten, da die gesetzliche First durch die Aufnahme der Ermittlungen der EU-Kommission im Jahr 2011 unterbrochen wurde und erst jetzt wieder zu laufen beginnt.

Zur Anwaltskooperation gehört auch eine Kanzlei aus Kornwestheim

Beteiligt an der Kooperation sind neben KWAG die Kanzlei Rückoldt, Ringel und Coll (Brake), Rechtsanwälte Bartholl & Rehbehn (Kiel) sowie die Anwaltskanzlei Winter aus Kornwestheim. Mit weiteren Kooperationspartnern mit direktem Bezug zu betroffenen Spediteuren, Unternehmen und Verbänden würden bereits Gespräche geführt, teilte KWAG weiter mit.