Der Wehrturm beim Waiblinger Apothekergarten, der von der Uni Tübingen als Karzer genutzt wurde, und ein Teil der 1400 Meter langen Stadtmauer werden von Herbst an saniert.

Waiblingen - Was für eine Idylle: Vögel zwitschern, rundum rauschen grüne Baumwipfel und unten rechts dreht sich ein Mühlrad: Wer im als Gartenlaube gestalteten Dachgeschoss des Wehrturms in Waiblingen steht, vergisst glatt, dass einen Stock tiefer einst so mancher arme Student für seine Missetaten im dunkeln Karzer hinter bis zu 1,20 Meter dicken Mauern aus Kalk- und Sandstein schmoren musste. Das ist freilich einige hundert Jahre her: Im späten 15. Jahrhundert hatte Georg Hartzesser, der Dekan der Uni Tübingen und ein gebürtiger Waiblinger, Teile der Hochschule wegen der Pest vom Neckar an die Rems verlegt.

 

Den dicken Mauern des Karzerturms hat der Zahn der Zeit ziemlich zugesetzt: Die Mauersteine sind stark verwittert, durch die Außenwände ziehen sich Risse und beim Betreten des normalerweise abgeschlossenen Karzers, so erklärt Michael Gunser vom städtischen Fachbereich Hochbau, stehe man auf der Gewölbedecke des Untergeschosses, da kein Fußboden mehr vorhanden sei.

22 Meter Stadtmauer werden restauriert

Auch das rund 22 Meter lange Stück Stadtmauer, das zwischen dem Wehrturm und dem Gebäude Bürgermühlenweg 11 verläuft, bröselt an der Seite, die der Erleninsel zugewandt ist, vor sich hin. Grund genug, den Karzerturm wie die Mauer gründlich zu sanieren. Das findet auch Gisela Lasartzyk von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die an diesem Montag mit Gregor Kurz von der Toto-Lotto-Regionaldirektion und einer guten Nachricht nach Waiblingen gekommen ist: 50 000 Euro steuert die Stiftung zur Sanierung der Waiblinger Wehranlage bei, die insgesamt rund 320 000 Euro kosten wird.

Das Geld für den Erhalt von Kulturdenkmalen stammt aus Mitteln der Glücksspirale und wird nur auf Antrag des Eigentümers vergeben. „Eine Wissenschaftskommission wählt die Projekte aus und bestimmt, wer wann wie viel Fördermittel erhält“, erklärt Gisela Lasartzyk das Prozedere. Ein wichtiges Kriterium für die Förderung sei, dass die Gebäude möglichst öffentlich zugänglich sein sollten, denn „nur genutzte Denkmale haben auf Dauer eine Überlebenschance“. Seit dem Jahr 1985 habe man mehr als 300 Projekte gefördert – das Motto der Stiftung: „Wir bauen auf Kultur.“

Beginn der Arbeiten im September

Voraussichtlich von September an werden die Mauerwerkflächen gereinigt, abgestürzte Bereiche neu aufgebaut und einzelne Steine an dem rechteckigen Wehrturm ausgetauscht. Durch die drei Schießscharten im Gemäuer konnten die Waiblinger die verschiedenen Abschnitte der Stadtmauer überwachen. Von der auf dem Karzer sitzenden Holzkonstruktion, die aus dem 19. Jahrhundert stammt, wolle man so viel wie möglich erhalten, sagt Michael Gunser. Außerdem wird die Stadtbefestigung an der Außenseite in Richtung des Mühlkanals neu verfugt – die Innenseite war laut dem Hochbauamt bereits vor rund vier Jahren im Zuge einer Notsicherung saniert worden. Von den insgesamt 1400 Metern, die von der Waiblinger Stadtmauer noch erhalten sind, seien 900 Meter begehbar, sagt der Oberbürgermeister Andreas Hesky. Die Sanierung sehe er als Auftakt zu weiteren Maßnahmen am Wehrgang: „Wenn wir diesen Teil hier haben, geht es weiter mit dem Abschnitt zwischen dem Rathaus und dem Beinsteiner Torturm.“

Ein Waiblinger Kulturdenkmal

Zahlen
Die Waiblinger Zwingermauer und der Wehrturm sind der inneren Stadtmauer aus der Zeit um 1250 vorgelagert und nach dieser entstanden – wohl in der Zeit vor 1400. Um 1450 erhielt der Wehrturm ein weiteres Geschoss. Von etwa 1600 an diente er als Kerker. In der Zeit der Romantik wurde auf den Turm eine hölzerne Konstruktion aus Rundhölzern gesetzt, die zum Teil Schädlinge aufweist.

Finanzierung
Für die Sanierung des Karzerturms und der Stadtmauer auf einer Länge von rund 22 Metern veranschlagt die Stadt rund 320 000 Euro. Das Landesamt für Denkmalpflege steuert knapp 67 000 Euro bei, 50 000 Euro kommen von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Dieses Geld stammt aus Erträgen der Rentenlotterie Glücksspirale.