Bauen/Wohnen: Tomo Pavlovic (pav)

Dabei ist Horváth meist gnadenlos zu seinem Kleine-Leute-Personal. Was sie denken, stößt ihnen übel auf; sie laborieren am schlecht verdauten Jargon der Gebildeten und Vermögenden; sie würgen und rülpsen Floskeln und Phrasen hervor, die zum Himmel stinken. Das klingt falsch und ist oft zum Lachen, nein: zum Auslachen komisch. Horváth schrieb mit „Kasimir und Karoline“ ein Volksstück ohne Volk, er begab sich nicht auf Augenhöhe mit seinen Figuren, schaute lieber von oben herab wie aus einem Zeppelin auf das Begehren und Stöhnen des Menschengewürms da drunten auf der Erdenwiesn.

 

Und Stefan Pucher lässt mit seiner Regie am Samstagabend im Stuttgarter Schauspielhaus das Horváthsche Luftschiff noch höher steigen, indem er der ohnehin klitzekleinen Lovestory von Anfang an jede mickrige Hoffnung raubt. Kasimir ist bei ihm ein emotionaler Tölpel, den Peer Oscar Musinowski als ungelenken Wüterich mit vorgeschobenem Unterkiefer gegen unsichtbare Wände rennen lässt. Mehr Prolet als Proletarier. Was konnte Karoline nur jemals an dem Loser finden? Genau: nichts.

Manja Kuhls Karoline aber ist eine Erscheinung in einem täuschenden Engelflügelweiß. Wenn sie vor ihrem schnaubenden Kasimir steht, dann schaut sie durch ihn hindurch wie ein gutmütiger Star durch seinen Fan. In elegant schwingenden Marlene-Hosen und schulterfreier Schluppenbluse blendet sie in tiefer Liebe zu sich selbst ergriffen alle Männer, die ihren Weg kreuzen. Zum Beispiel Schürzinger. Bei Paul Grill ist der ein verklemmtes Muttersöhnchen mit Pullover über den Schultern, schon herzallerliebst, ja, auch witzig und leider auch unendlich harmlos. Ein Schleimer. Er ist nett zu allen, zur Eistüte, zu anderen Typen, zu den Bonzen wie auch zur Karoline.

Die ist alles andere als naiv. Schon eher ein todessehnsüchtiger Vorstadt-Vamp. Und wenn man nicht genau wüsste, dass hier ein Horváth gegeben wird, man könnte auch meinen, dass Pucher bei den Proben diese Karoline mit irgendeiner supercoolen Hedda Gabler aus einer früheren Ibsen-Inszenierung verschnitten hat, vielleicht mit jener von Nina Hoss, die man bei den Ruhrfestspielen vor einigen Jahren bewundern durfte.

Die Liebe hat keine Chance in der Welt des Geldes

Stefan Pucher konzentriert sich bei seiner kaum spielfilmlangen Inszenierung auf die Frauen, auf Karoline – und Sandra Gerlings Erna, die mit ihrem prügelnden Franz (Felix Mühlen) ebenfalls eine Jahrmarktsniete gezogen hat. Mit Veilchen unter der Sonnennickelbrille markiert sie die Duldsame, die gelegentlich Blut spuckt oder voller Ingrimm von der Revolution schwärmt. Das kommt richtig gut. Am Ende, nachdem ihr Franz verhaftet worden ist, macht sie sich vorsorglich an den Kasimir heran, was aber auch nur ein Strohfeuer der Gefühle entfacht.

Dabei ist Horváth meist gnadenlos zu seinem Kleine-Leute-Personal. Was sie denken, stößt ihnen übel auf; sie laborieren am schlecht verdauten Jargon der Gebildeten und Vermögenden; sie würgen und rülpsen Floskeln und Phrasen hervor, die zum Himmel stinken. Das klingt falsch und ist oft zum Lachen, nein: zum Auslachen komisch. Horváth schrieb mit „Kasimir und Karoline“ ein Volksstück ohne Volk, er begab sich nicht auf Augenhöhe mit seinen Figuren, schaute lieber von oben herab wie aus einem Zeppelin auf das Begehren und Stöhnen des Menschengewürms da drunten auf der Erdenwiesn.

Und Stefan Pucher lässt mit seiner Regie am Samstagabend im Stuttgarter Schauspielhaus das Horváthsche Luftschiff noch höher steigen, indem er der ohnehin klitzekleinen Lovestory von Anfang an jede mickrige Hoffnung raubt. Kasimir ist bei ihm ein emotionaler Tölpel, den Peer Oscar Musinowski als ungelenken Wüterich mit vorgeschobenem Unterkiefer gegen unsichtbare Wände rennen lässt. Mehr Prolet als Proletarier. Was konnte Karoline nur jemals an dem Loser finden? Genau: nichts.

Manja Kuhls Karoline aber ist eine Erscheinung in einem täuschenden Engelflügelweiß. Wenn sie vor ihrem schnaubenden Kasimir steht, dann schaut sie durch ihn hindurch wie ein gutmütiger Star durch seinen Fan. In elegant schwingenden Marlene-Hosen und schulterfreier Schluppenbluse blendet sie in tiefer Liebe zu sich selbst ergriffen alle Männer, die ihren Weg kreuzen. Zum Beispiel Schürzinger. Bei Paul Grill ist der ein verklemmtes Muttersöhnchen mit Pullover über den Schultern, schon herzallerliebst, ja, auch witzig und leider auch unendlich harmlos. Ein Schleimer. Er ist nett zu allen, zur Eistüte, zu anderen Typen, zu den Bonzen wie auch zur Karoline.

Die ist alles andere als naiv. Schon eher ein todessehnsüchtiger Vorstadt-Vamp. Und wenn man nicht genau wüsste, dass hier ein Horváth gegeben wird, man könnte auch meinen, dass Pucher bei den Proben diese Karoline mit irgendeiner supercoolen Hedda Gabler aus einer früheren Ibsen-Inszenierung verschnitten hat, vielleicht mit jener von Nina Hoss, die man bei den Ruhrfestspielen vor einigen Jahren bewundern durfte.

Die Liebe hat keine Chance in der Welt des Geldes

Stefan Pucher konzentriert sich bei seiner kaum spielfilmlangen Inszenierung auf die Frauen, auf Karoline – und Sandra Gerlings Erna, die mit ihrem prügelnden Franz (Felix Mühlen) ebenfalls eine Jahrmarktsniete gezogen hat. Mit Veilchen unter der Sonnennickelbrille markiert sie die Duldsame, die gelegentlich Blut spuckt oder voller Ingrimm von der Revolution schwärmt. Das kommt richtig gut. Am Ende, nachdem ihr Franz verhaftet worden ist, macht sie sich vorsorglich an den Kasimir heran, was aber auch nur ein Strohfeuer der Gefühle entfacht.

Sie alle sind Solitäre. Menschliches Treibgut im Sehnsuchtswörtermeer. Die Liebe hat keine Chance in einer Welt des Geldes. Egal. Stefan Pucher haut das Seelenhack der Figuren in die Pfanne und stellt klar heraus, worum es ihm wirklich geht in dieser Inszenierung: ums große Ganze. Die Politik erscheint als pädagogischer Warnhinweis wochenschaumäßig auf den Videoleinwänden: Mit Goebbels und Hitler ist jederzeit zu rechnen, liebes Dummvolk da unten. Siehe Kasimir und Karoline.

Der Regisseur, dem häufig ein gewisser Hang zur Pop-Ästhetik vorgeworfen wurde, versucht nun alles, jeglichen Verdacht der Oberflächlichkeit zu vermeiden. Er wagt wenig, der Abend gerät konventionell. Aus Technoklängen wird plötzlich ein Marschgetöse. Horst Kotterbas Speer kitzelt ein Hitlerbärtchen unter der Nase, in der Krachledernen kläfft er als Führerparodie ins Parkett. Ob Ärzte oder Polizisten, sie alle tragen Springerstiefel. Die von Stéphane Laimé gestaltete Bühne – in der Hauptsache eine mehrfach unterbrochene Achterbahn – erstrahlt oder changiert in den Farben Schwarz, Rot und Weiß. Das ist weniger politisch als plakativ. Und eindeutig zu viel des Gutgemeinten.