Ärzte dürfen nicht zusätzlich dafür honoriert werden, dass sie Patienten bestimmte Diagnosen zuweisen. Das haben die Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern entschieden. Erlaubt wäre das nur, wenn es für das Zusatzhonorar auch eine besondere medizinische Versorgung gibt.

Berlin/Stuttgart - Die sogenannten Betreuungsstrukturverträge zwischen Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigungen sind als rechtswidrig einzustufen. Das haben die für die gesetzliche Krankenversicherung zuständigen Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern nach Informationen unserer Zeitung vor zwei Wochen bei der 89. Aufsichtsbehördentagung in München beschlossen. Sie reagierten damit auf die Debatte über umstrittene Anreizsysteme der Kassen für niedergelassene Ärzte mit dem Ziel, möglichst viele Patienten mit Volkskrankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck zu diagnostizieren.

 

Bundesweit liegen zwischen Kassen und Kassenverbänden sowie kassenärztlichen Vereinigungen 55 Betreuungsstrukturverträge vor. Diese Zahl nannte die Bundesregierung Mitte November in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag. Drei entsprechende Verträge gibt es auch in Baden-Württemberg. Die Krankenkassen Techniker, DAK und KKH haben sie mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) abgeschlossen.

Die Betreuungsstrukturverträge sehen für teilnehmende Ärzte eine zusätzliche pauschale Vergütung vor, für die in der Regel jedoch keine konkret zu erbringende medizinische Versorgungsleistung definiert wird. Es ist vielfach nur von einem „zusätzlichen Betreuungsaufwand“ und einer „erhöhten Betreuungsintensität“ die Rede. In einem der Verträge mit der KVBW heißt es lediglich, „zur Erhöhung der Beratungsintensität“ sollten Ärzte und Psychotherapeuten „separate Angebote für Patienten mit ausgewählten Krankheitsbildern“ in Form eines „zusätzlichen Sprechstunden-, Wartezeiten- und/oder Koordinierungsangebots zur Verfügung stellen“.

Für vier Diagnosen pro Patient gibt es zwölf Euro

Die Pauschalen werden quartalsweise und kontaktabhängig gezahlt. Ihre Höhe richtet sich nach Anzahl und Art der Diagnosen, die der Arzt für den Patienten dokumentiert. Pro Diagnose gibt es drei Euro, ab vier Diagnosen werden zwölf Euro gezahlt.

In ihrer Antwort folgt die Regierung der Expertenmeinung, wonach die Verträge dazu führen könnten, Krankheiten nur wegen des Geldes zu diagnostizieren: „Für den Fall, dass die besondere Versorgungsleistung lediglich abstrakt formuliert ist und gleichwohl die Zusatzpauschale abgerechnet werden kann, können dadurch ökonomische Fehlanreize bestehen.“

Die Bundesversicherungsanstalt als Aufsicht der bundesweiten Kassen sowie die Landessozialministerien als Aufsicht der regionalen AOK und Betriebskrankenkassen haben dem nun bei ihrer Tagung in München einen Riegel vorgeschoben. „Wir schauen uns sämtliche Verträge dahingehend an, ob und gegebenenfalls welchen Änderungsbedarf es aufgrund des Beschlusses gibt“, sagte Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) unserer Zeitung. Falls erforderlich, werde man die „notwendigen Schritte tun“.