Ein neues Buch über die Flugzeugkatastrophe von Smolensk, bei der vor fünf Jahren Polens damaliger Präsident Lech Kaczynski umkam, beschäftigt die polnischen Medien. Der Autor kreidet dem russischen Geheimdienst FSB die Explosion des Flugzeugs an.

Stuttgart - Vor fast genau fünf Jahren starben bei einem Flugzeugabsturz im russischen Smolensk der polnische Präsident Lech Kaczynski sowie hohe Regierungsmitglieder und Militärführer Polens. Ein in diesen Tagen im Düsseldorfer Econ Verlag erscheinendes Buch über die Katastrophe schlägt hohe Wellen in den polnischen Medien – es stellt die These auf, bei dem Absturz könne es sich um einen Anschlag des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gehandelt haben. Als Beleg für die These zitiert Buchautor Jürgen Roth unter anderem aus einem Dokument des Bundesnachrichtendienstes vom März 2014, in dem ein Komplott aus polnischen Spitzenpolitikern und dem FSB beschrieben wird. Der BND allerdings dementiert auf Anfrage der StZ sehr deutlich.

 

Am 10. April 2010 war die Präsidentenmaschine, eine Tupolew 154 M, beim Landeanflug auf den Smolensker Flughafen in dichtem Nebel in eine Baumgruppe gerast und zerborsten. Alle 96 Insassen kamen ums Leben. Präsident Kaczynski und seine Begleiter wollten eine Gedenkveranstaltung für ermordete polnische Soldaten besuchen, die vor 75 Jahren vom sowjetischen Geheimdienst im russischen Katyn getötet worden waren. Die Ursachen des Unglücks sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt, was auch an Ermittlungspannen der russischen und polnischen Behörden liegt. Vor zwei Wochen erhob die polnische Justiz Anklage gegen zwei Offiziere der russischen Luftraumüberwachung, was die durch die Ukraine-Krise angespannten diplomatischen Beziehungen zwischen Polen und Russland weiter belasten dürfte.

„Verschlussakte S“ mit neuen Einzelheiten

Vor diesem Hintergrund erscheint nun „Verschlussakte S“ von Jürgen Roth. Der renommierte Journalist trägt in dem Buch eine ganze Reihe bekannter, aber bislang auch unveröffentlichter Details zusammen, die aus seiner Sicht die Anschlagsthese stützen. Das bemerkenswerteste Dokument, aus dem Roth zitiert, ist dabei ein Papier des BND vom März 2014.

Es soll sich um eine Art Quellenbericht eines BND-Agenten handeln über seine Gespräche mit einem hochrangigen polnischen Regierungsmitglied und einem führenden Agenten des russischen FSB. Roth zitiert daraus wie folgt: „Eine mögliche Erklärung der Absturzursache der TU-154 am 10.04.2010 in Smolensk liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Sprengstoffattentat, ausgeführt durch eine Abteilung des FSB im ukrainischen Poltava, geführt durch General Juri D. aus Moskau.“ Der Auftrag für das Attentat sei „direkt“ von einem hohen polnischen Politiker an den FSB-General gerichtet worden. „Wann und wo dieses geschehen sein soll, konnte nicht geklärt werden.“ Der FSB-General habe daraufhin Kontakt mit einer im ukrainischen Poltava stationierten operativen Gruppe um den FSB-Offizier Dmitro S. aufgenommen, der einer auf „wissenschaftliche und technische Dienstleistungen“ spezialisierten Abteilung 3 des FSB angehört.

Der Bundesnachrichtendienst dementiert

Die These, dass hinter dem Absturz ein Komplott aus polnischen Oppositionspolitikern und russischen Geheimdienstlern stecken könnte, ist nicht neu. Schon kurz nach der Katastrophe kamen entsprechende Spekulationen auf, die unter anderem mit einem Milliardendeal des russischen Energiekonzerns Gazprom begründet wurden, den Präsident Kaczynski seinerzeit angeblich blockieren wollte. Nachgewiesen werden konnten diese Thesen nicht. Dass aber auch der BND entsprechende Erkenntnisse gehabt haben soll, wäre neu.

Der deutsche Geheimdienst weist eine solche Behauptung entschieden zurück. „Der BND hat zu keiner Zeit die Auffassung vertreten, geschweige denn gegenüber der Bundesregierung berichtet, bei dem tragischen Flugzeugabsturz von 2010 habe es sich um einen Anschlag handeln können“, sagte BND-Sprecher Martin Heinemann der StZ. Auch das in dem Buch zitierte Dokument kenne man nicht. „Das Dokument vom März 2014 wurde bei einer kurzfristig angestrengten hausweiten Suche nicht gefunden. Ob es sich dabei gegebenenfalls um eine Fälschung handeln könnte, kann hier zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend bewertet werden“, so der Sprecher.