Volles Hochsommerprogramm auf der Kulturinsel. Hinter den Kulissen rumort es jedoch gewaltig – und das ausnahmsweise mal nicht wegen städtebaulichen Maßnahmen.

Stuttgart – Das hätten wir uns auch anders vorgestellt. Eigentlich wollten wir einfach mal wieder vorbeischauen auf der schönen Kulturinsel. Uns vom Garten verzaubern lassen, nach dem Stand der Dinge und der wackligen Zukunft auf dem Neubau-Areal am Güterbahnhof in Bad Cannstatt erkundigen, ein bisschen mit Chef Joachim Petzold und Organisatorin Corinna Groß über das kunterbunte Hochsommerprogramm quatschen. Und stoßen unfreiwillig in ein Wespennest. Was nach außen hin in den vergangenen Monaten nämlich so wirkte wie ein blühendes Subkultur-Biotop mit vielfältigem Angebot und vielen begeisterten Besuchern, steht wirtschaftlich gesehen kurz vor einer Katastrophe.

 

Das Geld ist alle

Corinna Groß klärt auf: „Die Kulturinsel ist privat finanziert und somit auch auf private Spenden angewiesen. Kürzlich ist unser größter privater Geldgeber unerwartet abgesprungen und kann uns bei weitem nicht mehr in dem Rahmen unterstützen, wie das noch letztes Jahr der Fall war.“ Doch das ist noch nicht genug der Hiobsbotschaften. „Wir wurden außerdem von einer Stiftung gefördert, die uns für 2017 eine Spende versprach, aus der letztlich aber doch nichts geworden ist. Mit der“, so Groß geknickt, „hatten wir fest gerechnet. Es ist August – und eigentlich haben wir kein Geld mehr.“

Dass das tragisch ist, muss nicht extra betont werden. Nach all dem Bangen und der Warterei, nach dem Gezänk mit den Anwohnern und dem Erreichen einer friedlichen Koexistenz, nach den vielen tollen Events in den vergangenen Wochen nun das. Eine Katastrophe! Groß nickt. „Die Leute vergessen bei aller Liebe für die Kulturinsel gern, dass solch ein Areal einfach Geld kostet. Jemand muss aufschließen, jemand muss abschließen, jemand muss die Kommunikation übernehmen. Betriebs- und Personalkosten werden gern unterschätzt und sind selten Anlass für eine Spende.“

Derzeit, so sagt sie ganz ehrlich, wisse man nicht, wie sie in zwei Monaten die Löhne zahlen könne. „Und wenn nicht bald etwas passiert, werden wir die Kulturinsel massiv verkleinern müssen. Sie wird zwar nicht untergehen und kann auch unter neuen Voraussetzungen bestehen. Dann aber eben in stark abgespeckter Form.“ Der Worst case wäre in diesem Fall, dass die Kulturinsel nur noch ein großes Projekt im Jahr angeht und mit Ehrenamtlichen arbeitet. So weit soll es aber nicht kommen. Groß weiß, welch ein unvergleichlicher Ort auf dem Spiel steht – und gibt sich kämpferisch. „Wir haben eine Crowdfunding-Kampagne konzipiert, die demnächst starten soll.“

Eigentlich darf die Insel bleiben

Dann kann jeder etwas dafür tun, dass Stuttgarts derzeit lebendigstes Subkultur-Areal erhalten bleibt. Denn das ist ja das eigentlich Perfide an der derzeitigen Situation: Das bislang größte Damoklesschwert über der Kulturinsel, die drohende Schließung durch das große Sanierungsgebiet, ist trotz Gegenwind von der SPD tatsächlich abgewendet. „Am 5. Juli durften wir uns beim Bezirksbeirat Bad Cannstatt vorstellen, nachdem die Grünen einen Antrag zum Erhalt der Kulturinsel eingereicht hatten. In der Sitzung wurde einstimmig beschlossen, dass das gesamte Areal der Kulturinsel zum Sanierungsgebiet Veielbrunnen in Bad Cannstatt hinzugefügt werden soll“, berichtet Groß erfreut. „Wir gehören jetzt also nicht mehr zum Neubaugebiet Neckarpark und es wird nicht einfach alles platt gemacht und neu bebaut!“ Wäre es nicht blanker Hohn, wenn ausgerechnet jetzt das Geld ausgeht?

Üben wir uns also in vorsichtigem Kulturoptimismus und statten der Kulturinsel noch öfter einen Besuch ab. Nicht vergessen: Mit jedem Bier, das man im Biergarten trinkt, tut man etwas für den Erhalt der Insel. Im August kann man sich zudem im Open-Air-Kino von „Rogue One“ oder „High Fidelity“ bestens unterhalten lassen, am 30. August dürfte die Hip-Hop-Sommershow „Down mit uns“ auf großen Anklang stoßen.

Wie es dann weitergeht, wenn das Ende abgewendet werden kann? „Es wird eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, in der die Bedürfnisse an das Areal ermittelt werden“, so Groß. Wir wissen bisher, dass die Gemeinwesenarbeit Interesse an Flächen auf unserem Areal hat, ebenso ein Familienzentrum und die VHS. Es bleibt also erst mal abzuwarten, welche Fläche wir für die Zukunft bekommen werden und ob wir den identitätsstiftenden Teil unserer Arbeit dann überhaupt noch erhalten können. Es bleibt also“, meint sie mit einem Schmunzeln, „wie immer spannend!“

www.kulturinsel-stuttgart.org