Der Priester Roland Rossnagel verlässt seine Gemeinden überraschend. Die Gründe dafür entrüsten die Katholiken. Vor allem der Heumadener Kirchengemeinderat kritisiert das Stadtdekanat – und will eventuell geschlossen zurücktreten.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Sillenbuch - Während der Priester den Leuten die Oblaten reicht, weiß er, dass er es ihnen gleich sagen muss. Nachdem der Leib Christi verteilt ist und die Menschen zu ihrer Bankreihe zurückgekehrt sind, sagt Roland Rossnagel: „Nehmen Sie heute bitte mal für die Vermeldungen Platz.“ Zunächst verkündet ein Herr Termine, dann tritt der Pfarrer ans Mikrofon. „Der Bischof hat mich zum Stadtpfarrer von Sankt Peter und Paul in Heilbronn ernannt“, sagt er ohne Umschweife.

 

Der Priester füllt die Kirchenbänke – gegen den Trend

Es dauert einen Moment, bis die Gemeinde versteht: Sie wird ihren Pfarrer verlieren. Ein Raunen geht durch die Bänke. Die Kirche von Sankt Michael in Sillenbuch ist am Sonntag, 23. März, voll besetzt, hinten stehen Leute. So geht es seit einiger Zeit. Der Priester Roland Rossnagel füllt das Gotteshaus – gegen den allgemeinen Trend. „Ich bedauere es selber sehr, dass ich Sie enttäuschen muss“, sagt der Pfarrer vorne mit Frosch im Hals.

Vor gerade einmal zweieinhalb Jahren hat Roland Rossnagel in Sillenbuch angefangen. Und eigentlich wollte er bleiben. Das erzählt der Pfarrer in einer ruhigen Minute. „Ich habe mich darauf eingestellt, dass das meine letzte Stelle ist“. Er ist 59 Jahre alt. Doch dann kam alles anders, deshalb wird er im Herbst die Stelle wechseln.

Die Gläubigen lehnen die Pläne mehrheitlich ab

Bekanntlich will das katholische Stadtdekanat die Kooperation der katholischen Gemeinden in Sillenbuch, Heumaden, Kemnat und Ruit auflösen. Kemnat und Ruit sollen eigene Wege gehen, Sillenbuch und Heumaden sollen künftig enger mit Degerloch, Plieningen und Birkach zusammenarbeiten. Ein Schritt, gegen den sich die Gläubigen mehrheitlich ausgesprochen haben. Und auch der Pfarrer zeigte sich stets kritisch. Der Bischof hat letztlich allerdings anders entschieden. Für Roland Rossnagel war das der Moment, in dem er das erste Mal ans Weggehen gedacht hat.

Die neue Struktur verlange „immense Beziehungsarbeit“, sagt er. Und nebenher sollte er die Administrationen der Gemeinden zusammenführen, das seien immerhin alles in allem 120 Angestellte. Das bedeutet vor allem Bürokratie. „Das ist nicht der Grund, warum ich Pfarrer geworden bin“, sagt er. „Ich habe nicht BWL studiert.“ Er wolle Menschen in ihrem Glauben begleiten, „da liegen meine Fähigkeiten“, sagt er. „Und das käme in den nächsten Jahren zu kurz.“ Vor diesem Hintergrund sei es für die Gemeinden besser, wenn sein Nachfolger unvoreingenommen an die Sache gehe.

Im Herbst beginnt eine Zeit der Ungewissheit – mal wieder

Wer dieser Nachfolger sein wird, steht noch nicht fest. Die Stelle wird laut Sprecherin des Stadtdekanats ausgeschrieben. Bis sich jemand Neues findet, ist Heiko Merkelbach aus Möhringen der Administrator. Für die Gemeinden in Sillenbuch und Heumaden beginnt damit im Herbst die Ungewissheit, die sie vor zweieinhalb Jahren erleichtert hinter sich gelassen haben. Die Ungewissheit, wann wieder ein Pfarrer kommt. „Wir hatten noch keine Gelegenheit, darüber zu diskutieren“, sagt Reinhard Lange, der Zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderats von Sillenbuch. Am 8. April wird sich das Gremium zu einer Sondersitzung treffen.

Da waren die Heumadener schneller. Sie haben sich bereits zu einer solchen Sitzung getroffen. Das Ergebnis ist ein dreiseitiger Brief, der Anfang dieser Woche an den Bischof Gebhard Fürst in Rottenburg gegangen ist. Die Spaltung der Seelsorgeeinheit habe „tiefe Wunden in uns hinterlassen, zu denen sich leider neue hinzugesellen“, ist zu lesen. Dass der Pfarrer geht, führen die Mitglieder im Heumadener Kirchengemeinderat auf die geplante Umstrukturierung zurück. So heißt es: „Ihr Stadtdekan Monsignore Dr. Christian Hermes entwickelt hier unseres Erachtens mittlerweile eine eigene Strategie, welche sich mit den Interessen der betroffenen Kirchengemeinden nicht mehr deckt.“

Nun soll der Bischof Stellung nehmen

Das Gremium fordert, dass die Gemeinden Sillenbuch und Heumaden nicht mit Degerloch, Birkach und Plieningen zusammengelegt werden. Dazu soll der Bischof Stellung nehmen. Und die Katholiken wollen eine Antwort, mit der sie etwas anfangen können. Andernfalls behalte sich der Kirchengemeinderat vor, geschlossen zurückzutreten. „Wie wollen Sie anders etwas erreichen?“, sagt Alexander Feil. „Seit vier Jahren hört uns keiner zu.“

Der Stuttgarter Stadtdekan Monsignore Christian Hermes „kann dazu keine Stellung beziehen“, sagt seine Sprecherin Veronica Pohl. Schlicht, weil er den Brief an den Bischof nicht kenne.

Der Gottesdienst ist rum in Sillenbuch. In den Gesichtern der Leute hängen Fragezeichen. Roland Rossnagel zieht sich schnell seine weltlichen Kleider und einen Anorak an, dann gesellt er sich zu den anderen. Die nach der Feier üblichen Gespräche werden heute wohl etwas länger dauern.