„Wir werden Ihre Kirche nicht mit Urnen vollstapeln“, sagte der Stadtdekan Christian Hermes. Er ist am Sonntag nach Degerloch gekommen, um fürs geplante Trauerzentrum bei der Kirche Mariä Himmelfahrt zu werben.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Degerloch - Das Thema brennt den Mitgliedern der Gemeinde Mariä Himmelfahrt unter den Nägeln. In der katholischen Kirche an der Karl-Pfaff-Straße soll ein pastorales Trauerzentrum entstehen. Im Gespräch ist auch ein Kolumbarium. Das sind Urnennischen, die ihren Platz in der Kirche finden könnten. Die Degerlocher erfuhren das im Juli. Seitdem ist das Projekt kontrovers diskutiert worden. Am Sonntag kam der Stadtdekan Monsignore Christian Hermes selbst, um zu informieren und vielleicht auch, um ein bisschen Werbung zu machen.

 

Nähe zum Hospiz als Argument

„Ein Trauerpastorales Zentrum als Chance für Degerloch und die Stadtkirche“, mit diesen Worten war seine Predigt umschrieben. Sie war Teil einer dreiteiligen Reihe in der Fastenzeit zum Thema „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“. Das ist es, worum es dem Stadtdekan geht: „Tod und Auferstehung Jesu und damit das Bekenntnis zu einem in Gott erlösten Leben machen den christlichen Glauben aus“, sagte er. Doch die Gesellschaft habe ein Problem mit dem Sterben. Viele Menschen, die einen Angehörigen verloren haben, wüssten nicht mehr wohin mit ihrer Trauer.

In Degerloch gibt es das Hospiz Sankt Martin, wo Todkranke ihren letzten Weg antreten. Die Mitarbeiter kümmern sich zudem um die Hinterbliebenen und bieten Trauergruppen an. Auch wegen der Nähe zum Hospiz ist die Gemeinde Mariä Himmelfahrt für das Stadtdekanat der richtige Ort für das pastorale Trauerzentrum.

Monsignore Christian Hermes Foto: Alexandra Kratz

Bei der sich an den Gottesdienst anschließenden Diskussion im Pfarrhaus wurde deutlich, dass sich die Degerlocher nicht gegen dieses Zentrum wehren. Doch viele sehen das angedachte Kolumbarium kritisch. Von „privilegierter Asche“ war die Rede. Das sei eine Umkehr in der Grundhaltung der Kirche. Die Erdbestattung werde diskriminiert. Die Asche komme in die Kirche, einen geweihten Raum, der Sarg auf den städtischen Friedhof, sagte ein Mann.

Hermes hatte in seiner Predigt freilich auch über die veränderte Bestattungskultur gesprochen. Immer mehr entschieden sich für eine Kremation, was für Katholiken lange Zeit undenkbar gewesen sei. „Diese Tendenz kann uns gefallen oder nicht, wir müssen damit umgehen“, sagte der Stadtdekan. Im Pfarrhaus machte er noch einmal deutlich, dass er keine morbide Trauerhalle wolle. Die Kirche werde eine Gemeindekirche bleiben, in der die Menschen gern Gottesdienst feiern. „Wir werden ihre Kirche nicht mit Urnen vollstapeln“, sagte der Stadtdekan. Man brauche eine passgenaue Lösung für Degerloch.

Die Idee vom Kolumbarium lohne sich

Einige meinten, dass die Kirche zu klein sei für ein Kolumbarium. Schon jetzt platze sie aus allen Nähten. „Ich kann mir auch ein trauerpastorales Zentrum ohne Kolumbarium vorstellen“, sagte Hermes – und bekam Applaus. Doch der Stadtdekan fügte hinzu, dass es sich lohne, die Idee eines Kolumbariums weiterzudenken. „Mir wäre es zu wenig, wenn es auf dem Friedhof eine Urnenwand gibt und die Trauernden nur zum Beten in die Kirche kommen. Das ist kein Konzept.“

Der Stadtdekan ermunterte, das Thema weiterzudiskutieren. „Fest steht aber, dass niemand ihre Kirche oder ihre Gemeinde kaputtmachen will“, sagte Hermes. Er betonte auch, dass die Entscheidung erst falle, wenn die Gemeinde wieder einen Pfarrer habe. Alles andere sei eine Überforderung der ehrenamtlichen Kirchengemeinderäte.