Im Juli entscheidet das Oberlandesgericht, ob der Stuttgarter Rechtsanwalt Wolfgang Blumers eine Beteiligung an dem Unternehmen Breuninger erhält.

Stuttgart - Wem gehört das Stuttgarter Kaufhausunternehmen Breuninger? Eine Entscheidung in dem spektakulären Streit um die Anteile will das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart am 20. Juli bekannt geben. Dies sagte die Vorsitzende Richterin Agnes Aderhold am Mittwochabend nach dem Abschluss der Beweisaufnahme. Zuvor hatten sich der Rechtsanwalt Wolfgang Blumers, der darauf klagt, an Breuninger beteiligt zu werden, und Miteigentümer Wienand Meilicke in einer fast neunstündigen Verhandlung mehrfach gegenseitig der „Lüge“ bezichtigt. Meilicke, der ebenfalls Rechtsanwalt ist, gehört zusammen mit dem Exchef von Breuninger, Willem van Agtmael, jeweils zur Hälfte eine Holding, die 80 Prozent der Anteile an Breuninger hält.

 

Die Vorsitzende Richterin sagte während der Verhandlung, dass sich das Gericht mit einer Entscheidung schwer tue. Einerseits gebe es Indizien, die dafür sprächen, dass Blumers ein Recht auf Beteiligung habe. Andererseits tue sich der Kläger aber schwer, eine verbindliche Vereinbarung nachzuweisen, aus der dieses Recht hervorgeht. Die Beweislast sieht die OLG-Vizepräsidentin freilich bei Blumers. In erster Instanz hat Blumers vor dem Landgericht Stuttgart Recht bekommen.

Helga Breuninger sagt, sie habe die Trennung gewollt

Worum es geht: Bis zum Sommer 2004 war das Kaufhausunternehmen im Besitz einer Doppelstiftung, die der 1980 verstorbene Kaufhauschef Heinz Breuninger gegründet hatte. Eine Stiftung übte die Macht im Unternehmen aus, die andere, eine gemeinnützige Stiftung unter der Leitung von Heinz Breuningers Tochter Helga, setzte für ihre sozialen Projekte Geld ein, das mit dem Betrieb des Kaufhauses verdient wurde. Helga Breuninger, die als eine von sechzehn Zeugen im Verlauf des Prozesses ausgesagt hat, wollte nach eigenen Angaben ihre Stiftung vom Kaufhaus trennen, um nicht in den Strudel einer möglichen Breuninger-Krise zu geraten.

Die Trennung sollte nach den ursprünglichen Plänen so erfolgen, dass die Stiftung, die die Stimmrechte besaß, aufgelöst und das Kaufhaus von allen fünf Mitgliedern des Stiftungsvorstands erworben wird: neben van Agtmael und Meilicke auch von den drei weiteren Vorstandsmitgliedern, zu denen Blumers gehörte. Gekauft haben letztlich aber nur van Agtmael und Meilicke. Blumers, dessen damalige Anwaltskanzlei Gleiss Lutz Bedenken hatte, kam ebensowenig zum Zug wie die beiden anderen Stiftungsvorstände Benno Stratmann und Theo Henselijn. Helga Breuninger erhielt aus dem Verkauf des Kaufhauses für die gemeinnützige Stiftung 41,1 Millionen Euro.

Theo Henselijn, „der faule Apfel im Korb“

Der Dissens wurde nicht publik, weil Blumers, Henselijn und Stratmann davon ausgingen, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt noch beteiligt werden sollten; diesen Plan haben van Agtmael und Meilicke bestätigt. Als das dann aber doch nicht geschah, reichte Blumers, der bei mittlerweile bei Gleiss Lutz ausgeschieden war, Klage ein. Stratmann und Henselijn verzichteten auf diesen Schritt. Meilicke wirft den Dreien vor, dass sie nur beteiligt werden wollten, um die Anteile dann umgehend zu verkaufen: „Sie haben sich disqualifiziert, indem sie das Unternehmen verkaufen wollten, sie alle drei“, empörte sich Meilicke. Stiftungsvorstand Henselijn bezeichnete er als den „faulen Apfel im Korb“, der den Schweizer Migros-Konzern als Miteigner habe an Bord nehmen wollen. Blumers hielt Meilicke nicht minder empört eine Aussage von Helga Breuninger entgegen, wonach eigentlich von Anfang an klar gewesen sei, dass van Agtmael und Meilicke das Kaufhaus bekommen sollten und sie selbst die gemeinnützige Stiftung.

Im Mittelpunkt der Verhandlung am Mittwoch stand die Frage, wie die Breuninger Stiftung damals so einfach hat aufgelöst werden können: durch einstimmigen Beschluss des fünfköpfigen Stiftungsvorstands. Genehmigt hat diesen Schritt das Regierungspräsidium Stuttgart als Stiftungsaufsicht. Der damalige Regierungspräsident Udo Andriof hat als Zeuge im vergangenen Jahr berichtet, dass seine Behörde geprüft habe, ob der Schritt dem Wohlergehen des Kaufhauses dient und ob Helga Breuninger mit der gemeinnützigen Stiftung ihre Arbeit fortsetzen konnte. Schon damals hat sich der Anwalt von Blumers, Alexander Burger, darüber gewundert, dass der Wille des Stifters Heinz Breuninger – entgegen den Vorschriften im Stiftungsgesetz des Landes – offenbar keine Rolle gespielt hat. Am Mittwoch hat nun als Zeuge ein Mann ausgesagt, der Heinz Breuninger noch persönlich gekannt hat: Walther Zügel, bis Mitte der Neunziger Jahre Chef der Landesgirokasse (LG) und in der zweiten Hälfte der Sechziger Jahre bei Breuninger tätig.

Den Tod des Sohnes hat Heinz Breuninger nie verwunden

Zügel konnte über Breuningers Pläne freilich nur eingeschränkt Auskunft geben, will sich die beiden in den Siebziger Jahren voneinander entfernten. Zwei Wochen vor Breuningers Tod wollte der Unternehmer zwar noch einen Termin mit Zügel ausmachen, der kam dann aber nicht mehr zustande. Der mittlerweile 82-jährige frühere Banker, der immer noch als Berater tätig ist, erinnert sich jedoch, dass Heinz Breuninger seiner Familie gegenüber sehr skeptisch eingestellt gewesen sei – zumal nach dem Unfalltod seines Sohnes Anfang der Sechziger Jahre: „In meiner Familie gibt es niemanden, der mir nachfolgen kann“, habe er gesagt. Wegen des Todes seines Sohnes habe Breuninger noch Jahre später unter Schock gestanden.

Für die Öffentlichkeit kam Heinz Breuningers Tod 1980 im Alter von 60 Jahren völlig überraschend – nicht so für Zügel. „Heinz Breuninger hat immer damit rechnen müssen, früh zu sterben“, sagte Zügel. Er habe unter Schlaflosigkeit gelitten und habe sich immer nachts von seinem Fahrer auf die Schwäbische Alb fahren lassen, um dort während der Fahrt etwas zur Ruhe zu kommen. Über dessen Pläne für die Regelung der Zukunft hat Zügel nach eigenen Angaben nichts gewusst. Die Tochter Helga Breuninger hat Zügel 2004 beraten und dabei geholfen, dass sie mehr als den zunächst diskutierten Kaufpreis von 30 Millionen Euro für Breuninger erhalten hat.

Nach Meilickes Ansicht führt es nicht weiter, über den Willen des Stifters zu grübeln: „Es kommt auf die Satzung an“, sagte er. „Der Stifter kann durchaus eine Stiftung auf Zeit errichten“ – was Heinz Breuninger aus seiner Sicht getan hat. Und: „Aus Rechtsgründen kommt es auf den Willen von Heinz Breuninger nicht an. Das Stiftungsgesetz ist hier nicht anwendbar.“