Die Lage der Warenhauskette Karstadt ist vertrackt. Die Belegschaft wird Einschnitte hinnehmen müssen – mal wieder. Ein Viertel der Karstadt-Häuser könnte geschlossen werden. Und der Eigentümer und Milliardär Nicolas Berggruen mag nichts investieren.

Essen - Wer kann Karstadt retten? Andrew Jennings war der erste Chef, den der Investor Nicolas Berggruen engagierte, um das zu versuchen. Er ging mehr als zwei Jahre vor Ablauf seines Vertrages. Eva-Lotta Sjöstedt, die danach eingesetzte Überraschungskandidatin, hielt es noch nicht einmal ein halbes Jahr aus. Sie gab wegen mangelnder finanzieller Unterstützung von Berggruen auf. Nun sollen die beiden verbleibenden Geschäftsführer Miguel Müllenbach und Kai-Uwe Weitz Karstadt aus den roten Zahlen führen – vorerst jedenfalls.

 

Mit Hochdruck arbeite das Management an einem Konzept, mit dessen Hilfe die Warenhäuser endlich Geld verdienen können, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Stephan Fanderl der „Frankfurter Allgemeinen“. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Fanderl demnächst selbst an die Spitze der Geschäftsführung tritt. Erfahrung im Handel hat er genug bei Metro, Wal Mart und im Vorstand von Rewe gesammelt. Ob sich das Szenario von Thomas Middelhoff wiederholt, der einst von der Spitze des Aufsichtsrates zum Vorsitz des Vorstandes bei Karstadt-Quelle wechselte, ließ Fanderl allerdings noch offen.

Die 83 Warenhäuser verdienen kein Geld

Der Aufsichtsrat werde in Kürze entscheiden, ob und welche Verstärkung das Management noch brauche, sagte er. Klar ist auf jeden Fall, dass bei Karstadt weiter gespart werden muss. Die verbliebenen 83 Häuser verdienen insgesamt kein Geld. Mehr als 20 sind sogar hoch defizitär. Die Versuche, mit Renovierungen und neuen Marken mehr Kunden in die Häuser zu locken, haben nicht gefruchtet. Die millionenschweren Verzichte der Mitarbeiter auf Lohnerhöhungen sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind verpufft. Es müsse eine neue Balance zwischen Überlebensfähigkeit und Sozialverträglichkeit gefunden, meint Fanderl. Das kann nur heißen, dass den Mitarbeitern neue Kürzungen bevorstehen. Über Lohnverzicht und Standortschließungen soll mit den Gremien der Arbeitnehmer verhandelt werden. Zuerst muss der Aufsichtsrat aber ein neues Sanierungskonzept beschließen.

Der Eigentümer Berggruen will nichts investieren. Er hat Karstadt für einen Euro übernommen und vor der Abwicklung bewahrt, die Sporthäuser und die Luxushäuser in Hamburg, Berlin und München aber abgetrennt und die Mehrheit daran verkauft. Ein Teil der dabei erlösten 300 Millionen Euro soll in die Warenhäuser geflossen sein. Er zieht aber auch viel Geld aus dem Unternehmen heraus, indem er sich den gekauften Namen Karstadt jährlich von Karstadt mit Millionen bezahlen lässt. Investitionen müssen aus dem operativen Geschäft finanziert werden.

Fanderl kann verstehen, dass Berggruen kein Geld gibt

Fanderl kann sogar verstehen, dass Berggruen kein Geld mehr geben will in einer Lage, in der man dem Investor nicht zeigen könne, ob und wie sich die Investition rentiere. Verkaufen kann Berggruen die Warenhäuser auch nicht. René Benko, der umstrittenen österreichische Immobilieninvestor, und der noch umstritteneren Diamantenhändler Beny Steinmetz, die zusammen die lukrativen Teil von Karstadt übernommen haben, zeigen kein Interesse an den Verlustbringern. Auch Metro, zu dem der Konkurrent Kaufhof gehört, winkt ab. Konzernchef Olaf Koch will sich nicht noch einen Problemfall aufladen, im Gegenteil: Kaufhof steht schon seit einigen Jahren auf der Verkaufsliste von Metro, weil internationale Expansionsmöglichkeiten fehlen. Aber solange Kaufhof-Chef Lovro Mandac jedes Jahr einen positiven Beitrag zur Metro-Bilanz leisten kann, bleibt die Tochter im Konzern. Sowohl Kaufhof und als auch Karstadt haben schon mit der Idee gespielt, die beiden Warenhausunternehmen zusammenzuführen. Diesem Plan wären aber viele Häuser zum Opfer gefallen.

Ohne Geld von außen und ohne interessierten Käufer bleibt Berggruen und Fanderl nur noch, Karstadt mit weiteren Kürzungen über die Runden zu retten. Fanderl hat zu hohe Belastungen durch die Verwaltung in Essen, die Logistik und die unprofitablen Standorte ausgemacht. Das sind die Punkte, an denen gekürzt wird. Es seien schmerzhafte Einschnitte nötig, um Karstadt eine Zukunft zu geben, sagte der Aufsichtsratschef. Es mutet an, wie das Rezept, mit dem Griechenland aus der Krise kommen soll: Wachsen durch sparen. Von Aufgabe ist im Moment noch keine Rede. Fanderl verkündete sogar eine gute Nachricht, als er mitteilte, dass der Vertrag mit dem Warenkreditversicherer um ein Jahr verlängert worden ist. Lieferanten müssen also keine Sorgen haben, ihr Geld nicht zu bekommen. Das Weihnachtsgeschäft ist gesichert, aber einen Plan, wie es langfristig weitergeht, gibt es noch nicht.

Sjöstedt wollte den örtlichen Geschäftsführern mehr Entscheidungen überlassen und das Wissen der Mitarbeiter stärker nutzen, anstatt teuere Berater zu engagieren. Den Kurs will Fanderl beibehalten. Er kündigte aber an, den Ansatz zu ergänzen um das, was wirtschaftlich zwingend notwendig ist.

Verdi kritisiert den Aufsichtsratschef scharf

Die Arbeitnehmer sind wieder einmal enttäuscht. Fanderl schüre bei den Beschäftigten Ungewissheit, Verunsicherung und Ängste, erklärte Stefanie Nutzenberger vom Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi. Seit Mai 2013 werde mit der Geschäftsführung verhandelt, ohne dass sie ein Konzept für die Zukunft vorgelegt habe. In den vergangenen zehn Jahren hätten die Beschäftigten bereits auf 700 Millionen Euro verzichtet. Der Eigentümer müsse sich endlich seiner Verantwortung bewusst werden und in die Warenhäuser investieren, verlangte sie. Die Beschäftigten hätten mehr als berechtigte Ansprüche auf eine sichere Zukunft ihrer Arbeitsplätze, sagte Hellmut Patzelt, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von Karstadt.