Die Inflationsrate steigt, die Sparzinsen nicht. Die LBBW hat ausgerechnet, was Sparern dadurch in diesem Jahr an Kaufkraftverlust droht.

Stuttgart - Die Inflationsrate ist so hoch wie lange nicht mehr und Experten rechnen allesamt, dass der Preisauftrieb auch in diesem Jahr anhalten wird. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) erwartet für 2017 eine Inflationsrate von 1,5 Prozent. Das ist nach 0,5 Prozent im vergangenen Jahr und 0,3 Prozent im Jahr 2015 ein kräftiger Anstieg. Müssen deshalb die Alarmglocken schrillen? Uwe Burkert, Chefvolkswirt der LBBW, rät zur Besonnenheit: „Ich bin froh, dass sich die Inflationsrate deutlich von Null gelöst hat. Damit ist die Gefahr einer Deflation vom Tisch. Die Entwicklung werten wir als Normalisierung.“ Die LBBW-Fachleute gehen in den nächsten zwei Jahren „nicht von einem sprunghaften Anstieg der Inflationsrate aus“.

 

Für Sparer ist eine steigende Inflationsrate keine gute Nachricht. Zumindest, solange es bei den Anlagezinsen keine Bewegung gibt. Da kann Burkert wenig Hoffnung machen: „Eine Inflationsrate zwischen 1 und 2 Prozent ist für die Europäische Zentralbank nicht unmittelbarer Anlass, an ihrer Zinsschraube zu drehen.“ Im Gegenteil: die EZB dürfte sich in ihrer Politik bestätigt sehen. „Sie wird an der Nullzinspolitik festhalten, bis sie sicher sein kann, dass es bei der Inflation keinen Rückschlag mehr gibt.“

Die EZB peilt bei der Inflation einen Zielwert von knapp zwei Prozent an. Warum nicht Null Prozent? Weil dies die Gefahr einer Deflation birgt, also eines anhaltenden Rückgangs des Preisniveaus, und weil die statistischen Berechnungen die Inflation eher überschätzen.

Inflationsrate wirkt sich auf Sparvermögen aus

Zwar kann sich die Zinsentwicklung im Euroraum nicht ganz vom Trend in den USA abkoppeln und dort geht man von einer Zinswende aus. Doch die Zinsen hierzulande werden nur behutsam und sehr langsam steigen. „Auch wenn wir einen leichten Aufwärtstrend bei den Zinsen erwarten: Solange die Inflationsrate höher ist, schreitet die Enteignung der Sparer voran“, sagt Burkert.

Die Volkswirte der LBBW haben nun ausgerechnet, wie sich die steigende Inflationsrate in diesem Jahr auf das Sparvermögen auswirkt. Ein durchschnittlicher Haushalt in Deutschland verfügt über ein Sparvermögen von 33 700 Euro. Darunter fallen Tagesgeld, Sparbuch, Bausparverträge und festverzinsliche Wertpapiere. Die LBBW-Fachleute unterstellen nun eine durchschnittliche Verzinsung von 0,25 Prozent und eine Inflation von 1,5 Prozent. Damit ist der Realzins minus 1,25 Prozent. Für das Sparvermögen ergibt das einen Kaufkraftverlust von 421 Euro im Jahr pro Haushalt. Bei 40 Millionen Sparern macht der Kaufkraftverlust nach Berechnung der Experten 17 Milliarden Euro aus.

Nun haben Geldeinlagen auch in der Vergangenheit über weite Strecken nach Abzug der Inflation eine negative Verzinsung gehabt, worauf die Bundesbank selbst hinweist. Für Privatleute macht es aber einen großen Unterschied, ob ihr Erspartes mit 4 Prozent verzinst wird bei einer Inflation von 4,5 Prozent, oder ob sie keine Verzinsung bekommen und die Inflationsrate ist 0,5 Prozent. In beiden Fällen ist die Verzinsung nach Abzug der Inflation minus 0,5 Prozent. „Im ersten Fall nimmt der Sparer den Verlust aber nicht wahr, die Illusion einer hohen Verzinsung überwiegt“, sagt Burkert.

Ein Mix unterschiedlicher Anlageklassen

Zum Gesamtbild gehört, dass die steigende Inflationsrate nicht nur Auswirkung auf die Realzinsen bei der Geldanlage hat. „Bei einer steigenden Inflation nimmt die reale Verschuldung ab“, so der LBBW-Chefvolkswirt. Der Nachteil für die Sparer ist gleichzeitig der Vorteil für die Schuldner.

Für Anleger jedenfalls ist derzeit guter Rat teuer. „Wer sein Geld völlig risikolos anlegen möchte, ist derzeit in einer Sackgasse“, beschreibt Rolf Kazmaier von der SVA Vermögensverwaltung Stuttgart die Situation. Geld anzulegen sei deutlich schwieriger geworden. „Anleger müssen aus der Reserve kommen und ein stückweit mehr Risiko eingehen. Wer das nicht will, muss Minuszinsen hinnehmen.“

Der Vermögensverwalter rät zu einem Mix unterschiedlicher Anlageklassen. Dazu zählen Aktien von Unternehmen mit guter Bonität, die in der Vergangenheit gute Dividende gezahlt haben. „Es gibt sie noch, aber man muss sie suchen.“ Auch Anleihen und Anlagen aus dem Immobilienbereich gehören für ihn dazu. Geeignete Papiere seien nicht mehr einfach zu finden. „Ein Potpourri verschiedener Anlagen ist heute mehr denn je sinnvoll, um das Risiko zu streuen“, betont Kazmaier.

Digitalisierung wird Konsequenzen für Statistik haben

„Anleger, die jedes Risiko vermeiden wollen und weiter auf Sparanlagen sowie auf Tages- oder Festgeld setzen, haben ein weiteres mageres Jahr vor sich“, warnt Burkert. Er rät: „Wer keinen Kaufkraftverlust hinnehmen möchte, muss nach Alternativen schauen.“ Dauerhaft auf Verzinsung zu verzichten, sei nicht sinnvoll.

Problematisch sieht der LBBW-Experte die hohe Liquidität, die viele Sparer vorhalten. „Es ist meist nicht so, dass Waschmaschine, Trockner, Spülmaschine und Fernseher gleichzeitig kaputt gehen.“ Für diese seltenen Fälle, sollte kurzfristig auf den Dispokredit zurückgegriffen werden. Für den Notgroschen lohnt es sich zu prüfen, was man in den vergangenen fünf Jahren an größeren Ersatzanschaffungen gehabt hat.

Möglicherweise wird sich die Inflationsberechnung in naher Zukunft ändern müssen. Es gibt Untersuchungen, die vermuten lassen, dass Onlinehändler die Preise danach gestalten, von wo aus der Auftrag eingeht. In wohlhabenderen Gegenden sind demnach die Preise höher als in Vierteln, wo die Leute wenig besitzen. „Die Digitalisierung wird Konsequenzen für die statistische Ermittlung haben“, ist Burkert überzeugt.