Bundesbankchef Weidmann und sein französischer Kollege fordern angesichts der Schuldenkrise eine Kurskorrektur. Beide bringen einen gemeinsamen Euro-Finanzminister ins Gespräch und fordern eine stärkere Beachtung der Fiskalregeln.

Berlin - Bundesbankpräsident Jens Weidmann und sein französischer Kollege François Villeroy de Galhau sehen die europäische Währungsunion in schlechtem Zustand. Die Schuldenkrise habe das Vertrauen in die Europäische Währungsunion erschüttert. Trotz der Versuche, die Eurozone stabiler zu machen, weise der institutionelle Rahmen nach wie vor „gravierende Schwachstellen“ auf, lautet die Diagnose der beiden Notenbankpräsidenten. Deren Empfehlung entspricht dem, was die Zentralbanken seit Langem fordern: Die Politik des billigen Geldes könne zwar kurzfristig der Konjunktur auf die Sprünge helfen, sie schaffe aber kein nachhaltiges Wachstum. Der Schlüssel für mehr Wohlstand liege vielmehr in Reformen, schreiben die Notenbankpräsidenten in einem Beitrag für die „Süddeutsche Zeitung“.

 

Sorgen bereitet den Notenbankern, dass der Umbau der Währungsunion nach der Finanzkrise bisher nicht die erhoffte Wirkung gezeitigt habe. Ein Ungleichgewicht entstehe dadurch, dass die Eurostaaten zwar den Anspruch hätten, Entscheidungen in eigener Verantwortung zu treffen. Gleichzeitig forderten sie aber Solidarität ein, wenn es beispielsweise um Stützungsmaßnahmen gehe. Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt habe nicht verhindert, dass sich die öffentlichen Finanzen verschlechtert hätten und wirtschaftliche Ungleichgewichte aufgebaut würden. „Wir stehen nun ganz eindeutig an einem Scheideweg“, meinen die Notenbankchefs.

Mehr Europa hieße ein gemeinsames Finanzministerium

Als Ausweg sehen die beiden Währungshüter zwei Möglichkeiten: Entweder die Euroländer verstärken die Integration oder sie entscheiden sich für einen dezentralen Ansatz mit strengeren Regeln. Mehr Europa heißt für die Spitzen der beiden Zentralbanken, dass ein gemeinsames Finanzministerium für den Euroraum geschaffen wird. Das Euro-Finanzministerium könnte durch einen unabhängigen Fiskalrat ergänzt werden, der etwa die Einhaltung der Haushaltsregeln kontrolliert. Die Übertragung von Souveränität und Befugnisse auf die europäische Ebene soll dazu führen, dass Finanzpolitik und Reformen einheitlich ausgelegt werden.

Die Notenbankchefs sind jedoch selbst skeptisch, ob die Schritte hin zu einer stärkeren Integration zurzeit umsetzbar sind. Dies sei zwar der naheliegende Weg, aber es gibt Hürden. Auch die Bundesregierung hat die Vorschläge zurückhaltend aufgenommen. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums erklärte, Minister Wolfgang Schäuble habe sich mehrfach dafür ausgesprochen, die europäischen Verträge zu ändern, damit die haushaltspolitische Kontrolle verstärkt wird. Dies sei aber ein langfristiges Szenario. Wichtig sei aus Sicht des Bundesfinanzministeriums, dass die europäischen Staaten wettbewerbsfähiger würden, Reformen eingeleitet und der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt einheitlich angewendet werde.

Die Prinzipien Solidarität, Haftung und Kontrolle

Eine Alternative zu einer stärkeren Integration der Eurozone sehen die Notenbankchefs darin, die einzelnen Mitgliedsstaaten stärker in Verantwortung zu nehmen. Ein dezentrales Modell soll darauf basieren, dass die Länder zwar ihre volle Souveränität behalten und nicht weitere Aufgaben an europäische Institutionen abgeben, aber in diesem Fall müssten die Regeln verschärft werden. Der Fiskalpakt, der zu mehr Finanzdisziplin führen soll, sowie die Haushaltsüberwachung durch die EU-Organe müssten verbessert werden. Auf diese Weise sollten die Prinzipien Solidarität, Haftung und Kontrolle wieder miteinander in Einklang gebracht werden. Die Notenbankpräsidenten bringen das dezentrale Modell auf einen Nenner: Die Länder könnten zwar mehr Zuständigkeiten behalten, sie müssten sich dann aber damit abfinden, dass Solidarität Grenzen habe.

Die Zentralbanken unterbreiten ihre Vorschläge vor dem Treffen der deutschen und französischen Finanz- und Wirtschaftsminister. Am Dienstag kommt der deutsch-französische Finanz- und Wirtschaftsrat in Paris zusammen. Daran nehmen unter anderem Finanzminister Wolfgang Schäuble und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel teil.

Der Vorstoß kommt zu einem Zeitpunkt, da die Eurozone ökonomisch weiter auseinanderdriftet. Ablesbar ist das an hohen Arbeitslosenzahlen in den großen Euroländern wie Frankreich, Spanien und Italien. Beim Defizitabbau kamen vor allem Paris und Rom kaum voran.