Die deutschen Schüler behaupten sich bei der jüngsten Pisastudie im vorderen Drittel. Doch die alten Probleme im Schulwesen sind geblieben.

Berlin - Die deutschen Schüler halten sich beim jüngsten Pisatest im oberen Drittel der OECD-Staaten. Im diesjährigen Schwerpunktbereich Naturwissenschaft rangiert Deutschland auf Platz zehn unter den 35 OECD-Staaten, in Mathematik ist es Platz elf und im Lesen Platz neun. Damit konnten die deutschen Schüler das Niveau der vergangenen Studien in etwa halten. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verantwortet die Studie.

 

Allerdings stellen die Pisaforscher fest, dass die Leistungen der deutschen Gymnasiasten in den Naturwissenschaften im Vergleich zu 2006 zurückgegangen sind. Auch ist die Gruppe der Schüler mit Spitzenleistungen kleiner geworden. Deutschland gelinge es nach wie vor nicht, das Potenzial seiner Schüler zu heben, halten die Experten fest.

Zu wenig naturwissenschaftliche Experimente

Vom naturwissenschaftlichen Unterricht halten die getesteten 15-Jährigen nicht viel. Im internationalen Vergleich nahmen sie relativ wenig Unterstützung und Rückmeldung ihrer Lehrer wahr. 80 Prozent sagten, sie könnten nur selten eigenständig Experimente planen, in zwei Dritteln der Unterrichtszeit gebe es überhaupt kaum Experimente. Die Schüler vermissen den Bezug zur alltäglichen Lebenswelt. Die Forscher folgern, „die Unterrichtsstruktur hat sich damit sei 2006 kaum verändert“.

Die Jugendlichen heute haben weniger Freude an Naturwissenschaften als ihre Vorgänger 2006. Das Interesse hat der Studie zufolge an allen Schularten nachgelassen. Schwächer wurde auch das Bewusstsein, die Naturwissenschaften könnten im Leben wichtig sein. Immerhin 23 Prozent erklärten sie könnten einen naturwissenschaftlichen Beruf ergreifen. Im OECD-Durchschnitt sagte das fast jeder Dritte.

Jungen holen beim Lesen auf

Mädchen interessieren sich deutlich weniger für die Naturwissenschaften als Jungen. Jungen haben dieses Mal erstmals deutlich besser abgeschnitten als die Mädchen. Noch größer ist der Unterschied der Geschlechter aber in Mathematik. Deutschland gehört zu den OECD-Staaten, in denen die Leistungen von Jungen und Mädchen am weitesten auseinander klaffen. Vorne liegen die Mädchen nach wie vor beim Lesen, doch die Jungen haben deutlich aufgeholt und sind nur noch etwa ein Drittel eines Schuljahres zurück.

Keine Verbesserung haben jedoch die Schüler mit Migrationshintergrund gezeigt. Sie liegen nach wie vor etwa ein Dreivierteljahr zurück. Auch der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischer Leistung hat sich der Studie zufolge nur leicht verbessert. Es bleibe eine der vorrangigen bildungspolitischen Aufgaben, dies zu verändern, erklären die Forscher.

Der Test wurde zum ersten Mal am Computer durchgeführt. Das habe besonders die deutschen Schüler vor Schwierigkeiten gestellt. Auch mache das den Vergleich mit früheren Studien schwierig.

„Potenziale gezielter ausschöpfen“

Claudia Bogedan, die Bremer Bildungssenatorin und Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, erklärte, „die Potenziale leistungsstarker Schüler in den Naturwissenschaften und Mathematik müssen gezielter ausgeschöpft werden, ohne die Förderung leistungsschwacher Schüler zu vernachlässigen“. eine zentrale Herausforderung bleibe es Schüler mit Zuwanderungshintergrund gut in das Schulsystem zu integrieren. Der Schlüssel dazu liege in der deutschen Sprache. die Studie habe auch gezeigt, dass digitale Medien in den Schulen zu wenig genutzt würden. Der Bund wolle die Lehrer mit der Qualitätsoffensive Lehrerbildung und der neuen Digitalisierungsstrategie unterstützen.

GEW vermisst politische Konsequenzen

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) findet, die Pisastudie in ihrer bisherigen Anlage fördere keine neuen Erkenntnisse mehr zu Tage. Sie verlangt einen neuen Forschungsansatz, der das Umfeld, die Probleme und die Rahmenbedingungen von Schulen genauer beleuchtet. Ilka Hoffmann aus dem Vorstand der GEW sagte, „wir brauchen Studien, die die Gelingensbedingungen herausarbeiten“. An den aktuellen Studien vermisst sie „die politischen Konsequenzen und Handlungsstrategien“.

Philologenverband lenkt Augenmerk auf Unterricht

Der Philologenverband, der die Interessen der Gymnasiallehrer vertritt, erklärte, Pisa sei gut, weil sie in bestimmten Testbereichen einen internationalen Vergleich ermögliche. Die Studie sei aber nicht dazu geeignet, „die Bildungsqualität insgesamt zu messen“. Heinz-Peter Meidinger, der Bundesvorsitzende des Verbands, ermahnte die Verantwortlichen in den Bundesländern, „bei Bildungsreformen wieder mehr auf das Kerngeschäft Unterricht zu achten“. Sonst komme Deutschland bei der Bildungsqualität nicht weiter nach vorne.