In Fachmagazinen ist Pisco Sour das neue In-Getränk. Auch in Stuttgart? Eine Spurensuche im Bermudadreieck zwischen Paul & George, Schwarz Weiß Bar und Le Petit Coq.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Wenn der Mensch laut dem Philosophen Ludwig Feuerbach das ist, was er isst – ist er dann auch das, was er trinkt? Wenn er hipp sein möchte, kann er dies durch die Wahl seines Getränks zumindest zeigen. Zwar halten sich unverwüstliche Mixgetränke wie Bananenweizen oder Rotweinschorle, aber Jahr für Jahr gibt es neue Hinweise, was man jetzt trinken soll. Vielerorts wurde der Negroni wiederbelebt, der Moscow Mule neu zelebriert – und nach wie vor nicht wegzudenken ist der Gin Tonic. Pardon, zum Beispiel ein Tanqueray No. Ten mit 1724 und einer Grapefruit-Zeste, denn Gin Tonic ist zur Wissenschaft geworden, der man seit Kurzem im Botanical Affairs im Stuttgarter Rotlichtviertele intensiv nachgehen kann.

 

Immer wieder wird auch der Pisco als Trendthema hochgespült. Jüngst widmete sich der „Falstaff“ diesem Traubenbrand, den sowohl die Peruaner als auch die Chilenen für sich als Nationalgetränk reklamieren. „Derzeit kommt keine Barkarte ohne Pisco Sour aus. Das ist aber nur eines von vielen Zeichen, dass der Pisco voll im Kommen ist“, heißt es im Gourmetmagazin.

Pisco Sour haut ganz schön rein

Welche Zeichen gibt es in Stuttgart für den „Siegeszug“? Bereits im Frühsommer begegnete uns in der O.T. Bar der Pisco in einem Signature-Cocktail von Dino Zippe. Im Herbst scheint der Traubenbrand aber noch nicht angekommen zu sein. Marco Solarino freut sich im Paul & George zwar über die Bestellung eines Pisco Sour, die mit elf Euro zu Buche schlägt und auch sonst ganz schön reinhaut, sagt aber: „Einen Trend kann ich nicht feststellen.“ Was geht dann im rauen Backsteinambiente der Altstadt mit seiner hohen Hipsterdichte? Weiterhin der Gin Basil Smash etwa, sagt Solarino, wie Gin-Getränke generell, auch wenn „viel Halbwissen unterwegs“ sei bei einem Destillat, von dem es im Paul & George rund 70 Sorten gebe. Pisco gibt es genau einen, hier den Demonio de los Andes.

Der Drink Pisco Sour soll aus der Not entstanden sein. Als 1904 bei der Eröffnung einer peruanischen Eisenbahnlinie nicht genügend Whisky für die 5000 Festgäste vorrätig war, soll einfach Pisco für den Sour genommen worden sein. Vaughen Morris, ein Gringo aus Salt Lake City, setzte dann in seiner Morris‘ Bar in Lima den Pisco Sour auf die Karte, von der er aus in den 30er Jahren die Bars der Welt eroberte.

Ein Nischenprodukt

Die in Stuttgart nicht? „Alle Trends werden von den großen Getränkekonzernen gemacht“, sagt Luis Stephan von der Schwarz Weiß Bar an der Wilhelmstraße. Denkt man an den Aperol Spritz, den man in solchen Bars lieber nicht bestellt, mag das sein. Versöhnlicher gibt sich Barchef Alexander Mayer. „Pisco Sour war eigentlich immer schon präsent“, bleibe für ihn aber ein Nischenprodukt wie Absinth oder Mezcal, beides ebenfalls schon zum Trend ausgerufen. In der intimen Atmosphäre der Schwarz Weiß Bar gebe es drei andere große Themen: Cocktails aus dem hauseigenen Labor, Whisky und Champagner – wo sonst schenke man einen Bollinger offen aus?

Ein paar Schritte um die Ecke an die Hauptstätter Straße deutet von außen wenig auf eine gehobene Barkultur hin. Hinterm Vorhang aber leuchten im gediegenen Retro-Ambiente zwischen gemusterten Tapeten vor allem bernsteinfarben die Whiskys über der Bar. Ferro Ceylan, Geschäftsführer des Le Petit Coq, habe allein 28 verschiedene Whisky-Sour-Varianten im Programm, genießt aber angeregt durch das Gespräch einen Pisco Sour. Der Drink hat eine chöne Cremigkeit – durch das aufgeschäumte Eiweiß. Was ist mit Salmonellen? „Die Angst vor dem rohen Ei ist unbegründet, die Gefahr steckt doch vielmehr in der Schale“, beruhigt Ceylan, der kürzlich einen Japanese Pisco Punch auf der Karte hatte. Generell sind ausgefallene Cocktail-Kreationen eine Spezialität im Le Petit Coq, aber auch nicht-alkoholische Drinks wie die Feigen-Lavendel-Limo laufen gut.

Wie erklärt sich der Trend?

Wie kann der Importeur des Pisco Barsol, den man im Le Petit Coq bekommt und der beim „Falstaff“-Tasting mit 89 von 100 Punkten bewertet wurde, den angeblichen Trend erklären? Arno Schmid-Egger, Geschäftsführer der Perola GmbH in Nürnberg, sagt, dass die Pisco-Exportzahlen in Peru „seit Jahren kontinuierlich im zweistelligen Bereich“ steigen und die Qualität seit dem Ende der Militärdiktatur wieder deutlich besser sei. „Der zweite Grund für den Trend zum Pisco ist die aufstrebende peruanische Küche“, so Schmid-Egger.

Okay, ehe wir uns jetzt in Stuttgart auch noch auf die Suche nach dem peruanischen Trendgericht Ceviche begeben, sagen wir lieber: Die hiesige Barkultur ist so eigensinnig wie vielfältig und bekommt demnächst schon wieder Zuwachs. Mal sehen, was man im Jigger & Spoon im Hospitalviertel zu trinken bekommt, wenn man in den ehemaligen Tresorraum reingelassen wird.