Exklusiv Die Landesregierung erzielt einen wichtigen Teilerfolg, um von den Beteiligten des EnBW-Deals Schadensersatz fordern zu können. Beinahe alle Akteure und Berater verzichten auf die Verjährung, die drei Jahre nach dem Milliardencoup eingetreten wäre.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die grün-rote Landesregierung hat einen wichtigen Teilerfolg erzielt, um von den Akteuren und Beratern des EnBW-Deals Schadenersatz fordern zu können. Mögliche Ansprüche an Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus, die Ex-Minister Willi Stächele und Helmut Rau (alle CDU) sowie an die Investmentbank Morgan Stanley mit ihrem früheren Deutschland-Chef Dirk Notheis (CDU) und die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz wären demnächst verjährt. Sie verfallen drei Jahre nach dem den Schaden begründenden Ereignis, als welches wohl das Aktiengeschäft vom 6. Dezember 2010 anzusehen ist. Auf Verlangen des Landes haben nun die meisten Beteiligten einen befristeten Verzicht auf die Verjährung erklärt; nur im Falle von Ex-Minister Rau war dies zuletzt noch nicht ganz klar. Dies erfuhr die Stuttgarter Zeitung aus verlässlicher Quelle.

 

Weder die Staatskanzlei noch das Finanz- und Wirtschaftsministerium hatten eine schriftliche StZ-Anfrage dazu beantwortet. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) begründete das Schweigen bei seiner wöchentlichen Regierungspressekonferenz mit dem „laufenden Verfahren“, zu dem man sich nicht äußern könne. Dem Vernehmen nach hat sich mindestens einer der Beteiligten Vertraulichkeit ausbedungen. Wäre die Verzichtserklärung nicht abgegeben worden, hätte sich die Landesregierung vermutlich gezwungen gesehen, noch vor Ablauf der Verjährung auf Schadenersatz zu klagen.

Schiedsklage gegen die Electricité de France

Genau so verhielt es sich mit der Schiedsklage gegen die Electricité de France (EdF), die das Land im Februar 2012 eingereicht hatte. Dazu sah es sich damals gezwungen, weil die Franzosen nicht auf die Verjährung verzichten wollten. In der Eile konnte der Schaden zunächst nur grob auf zwei Milliarden Euro beziffert werden; später wurde er auf Grundlage eines Gutachtens mit 834 Millionen Euro angegeben. Bis zur Entscheidung im Schiedsverfahren, bei dem im Januar 2014 der nächste Termin ansteht, soll die Verjährung bei Akteuren und Beratern des EnBW-Deals nun ausgesetzt werden.

Etwa den gleichen Betrag – 840 Millionen Euro – hatte unlängst der Gutachter der Staatsanwaltschaft als überbezahlt ermittelt. Inwieweit diese Expertise im Verfahren vor dem Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer (ICC) die Position des Landes verbessert, ist offen. Manche Fachleute bezweifeln, dass die deutschen Standards für die Unternehmensbewertung dort uneingeschränkt akzeptiert werden. Vom Erfolg oder Misserfolg der Schiedsklage macht die Regierung das Vorgehen gegen die weiteren Beteiligten abhängig. Dazu sei man verpflichtet, hatte der Finanzstaatssekretär Ingo Rust (SPD) kürzlich gesagt.

Ex-Ministerpräsident Mappus schweigt

Die Anwälte von Ex-Ministerpräsident Mappus reagierten nicht auf Anfragen zu möglichen Regressforderungen und einem Verjährungsverzicht. Nach StZ-Informationen hält sich Mappus offen, seinerseits Ansprüche gegen Dritte geltend zu machen. Infrage kommen dafür eigentlich nur die beiden Berater, deren Arbeit er zunächst sehr gelobt hatte. Erst später zeigte er sich empört über die Darstellung der Anwälte, sie hätten ihn vor den rechtlichen Risiken des Vorgehens gewarnt. Dem Vernehmen nach erwägt Mappus sogar, seinerseits Ansprüche gegen das Land geltend zu machen, weil er nicht privat, sondern als Ministerpräsident agiert habe.

Der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hatte kürzlich scharfe Kritik an den Anwälten geübt. Diese seien offenbar „nicht fähig, einen Mandanten seriös zu beraten“. Am Mittwoch warnte er davor, voreilig Schadenersatz zu fordern. Dies wäre erst dann sinnvoll, wenn ein „materiell messbarer Schaden“ von einem Gericht festgestellt worden sei. Man solle „nicht den zweiten Schritt vor dem ersten“ tun.

Es besteht „dringender Erklärungsbedarf

Auch die CDU hatte, als Reaktion auf das Gutachten der Staatsanwaltschaft, den Blick auf die Anwälte und die Investmentbanker gelenkt. Der CDU-Obmann im EnBW-Ausschuss, Alexander Throm, sagte, es bestehe „dringender Erklärungsbedarf“ bei Gleiss Lutz und Morgan Stanley. „Ich sehe sie in der Verantwortung, und das werden wir einfordern.“ Schon früher hatte es in CDU-Kreisen die Lesart gegeben, Mappus sei ein „Beratungsopfer“.

Finanzminister Nils Schmid (SPD) ließ unlängst im Landtag gewisse Zweifel anklingen, ob bei den Akteuren des EnBW-Deals angesichts eines 800-Millionen-Euro-Schadens viel zu holen sei. Am ehesten sei dies bei Dirk Notheis Erfolg versprechend, dessen Bank mit dem Deal Millionen verdiente. Schmid: „Da mag vielleicht ein bisschen was da sein.“