Zehn Jahre Lautes, Wildes und Saures: Der Keller Klub feiert am Wochenende Geburtstag. Club-Chef Carlos Coelho erinnert sich für uns an denkwürdige Nächte mit Punkrock-Spirit und ausufernden Partys.

Stuttgart – 2007 war, insgesamt gesehen, ein ziemlich gutes Jahr für Stuttgart. Der VfB wurde Deutscher Meister. Der Sommer war gut. Und der Keller Klub öffnete seine verhängnisvollen Pforten am Rotebühlplatz. Am Freitag, den 2. Februar 2007 wurde es der feierwütigen Stadtbevölkerung erstmals gestattet, zum Tanzen in den Keller zu gehen – ein Name, der natürlich nicht von ungefähr kommt. Ganze Generationen an Nachtschwärmern glitten mit Eleganz die Stufen in das unterirdische Club-Reich hinab, mit reichlich Mühe wieder hinauf. Manchmal auf allen vieren.

 

Erst der Schock, dann der Jubel

Die vergangenen zehn Jahre sind dem Keller Klub nicht immer gut bekommen. Der vorläufige Krisenhöhepunkt im Sommer 2016: Ein Insolvenzantrag wurde gestellt, die Zukunft des Ladens und der 34 Mitarbeiter war mehr als ungewiss. Am 25. November 2016 dann kollektives Aufatmen: Mit Mihael Ivankovic (Finca) fand die Keller-Crew einen Investor, es konnte also weiter wild gefeiert werden. Die Erleichterung darüber steht Betreiber Carlos Coelho bis heute ins Gesicht geschrieben. „Es wäre aber auch wirklich schade gewesen, wenn das das Ende gewesen wäre“, sagt er voller Inbrunst. Es ist früher Nachmittag, draußen ist es noch hell. Wir sitzen im Raucherbereich, dort, wo sonst Rauchschwaden und unzählige Gespräche in der Luft hängen, vielleicht auch das Versprechen einer unvergesslichen Nacht. „Dieser Club ist wichtig für Stuttgart – als Live-Location, aber auch als Sozialisierung für eine andere Art von Musik.“

Triptychon durchzechter Nächte

Nur weil die ersten zehn Jahre im Sack sind, heißt das aber eben noch lange nicht, dass das auch für die nächsten zehn gilt. Die Zukunft des Gebäudes, in dem auch Chimperator untergebracht sind, ist ungewiss. Also lieber erst mal über die erste Dekade hier am Rotebühlplatz freuen, denn selbst dieser runde Geburtstag war nicht abzusehen. Wir gingen anfangs von einem Dreieinhalbjahresvertrag aus, also konnte wir gar nicht absehen, wie lange wir hier bleiben konnten“, so Carlos Coelho. „Dass wir jetzt den zehnten Geburtstag feiern, habe ich nicht kommen sehen.“

Natürlich helfe dem Club die zentrale Lage, daraus macht er gar keinen Hehl. „Die Stuttgarter sind sehr bequem, sie gehen gern im Innenstadtcarré aus. Wenn man sich nicht dort befindet“, ist er sich sicher, „kann man auch gleich in Feuerbach stehen.“ Zentraler als der Keller wird‘s aber in Stuttgart nicht. Bank, Dönerbude und Taxistand sind in unmittelbarer Nähe vorhanden – das heilige Triptychon jeder anständig durchzechten Nacht. Daran hat sich seit 2007 nichts geändert; am Publikum schon. „Die Generation wechselt, die Musik wechselt. Die Dynamik bleibt dieselbe. Das war in meinem ersten Laden, der Radiobar, genau so, wie es heute im Keller ist: Kontakte suchen, Ekstase, Tanzen.“ Auch Coelhos Motivation ist seit einem Jahrzehnt im Keller dieselbe: „Ich weiß nicht, was morgen sein wird“, stellt er fest, findet das zu gleichen Teilen gut wie schrecklich. „Wir müssen jedes Wochenende schauen, ob unser Konzept auch noch nächstes Wochenende funktioniert.“ Das hält geistig rege, ist er sich sicher: „Es macht Spaß, immer neue Lösungen für das alte Problem, wie man Leute unterhalten kann, zu finden.“

Breakdance in den Scherben

Highlights gab es in den ersten zehn Jahren natürlich unzählige: Die erste „Kaputtraven“-Party, bei der das Team komplett überrannt wurde, Lautstark-Veranstaltungen, bei denen mehr Gäste oben ohne waren als nicht, motorFM-Partys, bei denen der DJ die Songs wie ein Radiosprecher anmoderierte und auch mal Slayer auf einer Indie-Party spielte: Im Keller galten immer schon andere Regeln. Das zeichnete sich schon bei der Eröffnungssause ab. Zwei lokale Bands ließen sich backstage rücksichtslos zulaufen, die Party kochte, als plötzlich der Soul-Priester King Khan persönlich nach seinem Auftritt im Zwölfzehn vorbeischaute. „Er hat mit nacktem Oberkörper in den Scherben auf dem Boden eine Breakdance-Einlage hingelegt. Also wir das gesehen haben“, so Coelho noch immer beeindruckt, „haben wir uns entschlossen, darauf aufzubauen.“ Der Punkrock-Spirit, er ist noch immer spürbar in dem siedend heißen Kellerloch. „Natürlich können auch wir uns dem Markt nicht verschließen. Wir achten aber immer darauf, nicht zu glatt und zu brav zu sein.“

Memento mori

Gilt natürlich auch für das Team. Die gesammelte Belegschaft hat mehr Tattoos als ein durchschnittlicher Knast, der Ton ist mal etwas rau, aber immer herzlich. Ins Glas kommt beim Bar-Team das, was man will, unverzichtbar ist für Team wie auch Besucher natürlich die Hausmarke des Clubs: „Unsere Schlumpfpisse muss man probiert haben“, ist sich Coelho sicher. Der, nach seinen eigenen Angaben, „stetig verfeinerte und verbesserte“ Saure gehört ebenso zum Keller Klub wie die Diskokugel in Form eines Totenkopfs. Der ist übrigens ein Unikat. „Sie wurde in der Staatstheater-Werkstatt hergestellt. Der zuständige Handwerker meinte danach vollkommen entnervt, dass er nie wieder eine herstellt“, lacht Coelho. Ein einmaliges Accessoire für einen ziemlich einmaligen Club also. Gute Mischung.

Am Freitag und Samstag feiert der Keller Klub seinen zehnten Geburtstag – Freitag mit der Allstar Night und Samstag mit Laut & kantig.