So wird Geschichtsschreibung plastisch nachvollziehbar: das Keltenmuseum Hochdorf beleuchtet in einer Sonderausstellung die Entstehungs- und Fundgeschichte archäologischer Exponate.

Archäologie - Warum hatte der Homo Steinheimensis ständig Kopfweh? Warum lässt ein Grabräuber ein besonders wertvolles Fundstück aus Gold einfach im Grab zurück? Wie kann eine Tonschüssel drei Buben vor dem sicheren Tod bewahren? Wer Antworten auf diese Fragen sucht, der ist in der aktuellen Sonderausstellung im Keltenmuseum Hochdorf an der richtigen Adresse.

 

Mit „Schicksalsfunde – Fundschicksale“ macht die Museumschefin Simone Stork die Arbeit der Archäologen besonders plastisch. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen dieses Mal nicht Exponate einer besonderen Siedlung oder historischen Zeitspanne. Es geht vielmehr um den Entstehungszusammenhang von derartigen Ausstellungen, um die Frage, wer wann und warum die später zu Ausstellungsstücken erhobenen historischen Relikte überhaupt gefunden hat.

Ein Tongefäß, das drei Leben rettet

Genau dieser quasi historisch-anekdotische Ansatz macht die Ausstellung auch so besuchenswert. Die Museumschefin selbst hat kleine Texte verfasst, mit denen sie den Kontext der jeweiligen Exponate greifbar, menschlich werden lässt. Zum Beispiel mit der Geschichte dreier Buben, die in Benningen – unter strengster Geheimhaltung – eine Höhle vier Meter tief in einen Hügel gegraben haben. Dort stießen sie buchstäblich auf einen Schatz, auf die Relikte eines Tongefäßes, das vermutlich aus dem späten dritten Jahrhundert nach Christus stammt. Die Buben stoppten die Buddelei und machten ihre Geheimhöhle öffentlich – zum Glück, wie Simone Stork findet. „Andernfalls wären die Buben garantiert irgendwann verschüttet worden.“

Auch der erwähnte Grabräuber kommt in der Ausstellung vor. In einem Gräberfeld in Freiberg-Beihingen muss sich ein solcher skrupelloser Dieb zu schaffen gemacht haben. Skrupellos? Wohl doch nicht ganz. Er fand eine Brosche aus Gold mit Glasintarsien – doch nach allem, was man wissen kann, muss er das wertvolle Beutestück unverzüglich wieder zurückgelegt haben. Denn die filigrane Goldscheibenfibel, eine Grabbeigabe eines adeligen Mädchens, war für ihn wohl mit einer Art Fluch behaftet – besser gesagt: die Goldscheibenfibel ist mit Symbolen der Dreifaltigkeit übersät. Der Grabräuber fürchtete offenbar den Zorn Gottes.

Vom gänzlich unromantischen Kämpferalltag

Auch der romantische Mythos vom Kämpfer und Helden wird in der Ausstellung entzaubert. Drei Herren, Krieger für einen alamannischen Fürsten in Hessigheim, sind wild entschlossen, ihr Dorf gegen fränkische Invasoren zu verteidigen. Heute, gut 1300 Jahre später, liegen ihre Schädel im Hochdorfer Keltenmuseum. Einer davon wurde brutal in der Mitte mit einem Schwerthieb gespalten, zudem wurde der Kiefer abgetrennt. „So war das damals schon, kämpfen ist immer eine brutale Sache“, sagt Simone Stork. „Wir sind da, voll bewaffnet“, legt die Museumschefin den drei Recken in den Mund. Doch das Ende ihrer Wortmeldung verheißt bereits ihr übles Ende. „Sie kommen. Großer Gott, sind das viele . . .“

Ach ja, der Homo Steinheimensis ist ebenfalls Teil der Ausstellung. Forscher haben unlängst herausgefunden, dass der frühzeitliche Mensch an ständigen Kopfschmerzen gelitten haben muss. Moderne computertomografische Untersuchungen seines Schädels haben gezeigt: Der frühe Vorfahr des Neandertalers litt offenbar unter einem gutartigen, aber stetig wachsenden Gehirntumor.