Christian Kern wird schon seit längerem immer gerne genannt, wenn Unzufriedenheit über die Arbeit des Kanzlers Werner Faymann geäußert wird. Dabei hat sich der 50-jährige Sozialdemokrat als Chef der Österreichischen Bundesbahnen bisher aus politischen Debatten herausgehalten.

Wien - Wann immer jemand mit Österreichs Kanzler Werner Faymann unzufrieden war, viel wie ein Mantra immer wieder der Name Christian Kern. Selbst nahm der viel Genannte aber an keiner Debatte teil. Seit seinem Ausstieg aus der Politik vor fast 20 Jahren hat der heute 50-jährige Sozialdemokrat in der staatlichen und staatsnahen Wirtschaft Karriere gemacht und sich aus Kontroversen wohlweislich herausgehalten. Jetzt nach Faymanns Rücktritt läuft trotzdem alles wie von selbst auf Christian Kern zu.

 

Ein Modell des modernen Managements

Oder gerade deswegen: Zu den heißen Streitfragen in der Partei – der Asylpolitik, dem Verhältnis zu den Rechtspopulisten – hat von dem Wunschkandidaten selbst hinter verschlossenen Türen noch niemand etwas gehört. Ein Herr mit strengen, markanten Zügen, kein Gramm Fett, aber immer in etwas zu knappen Anzügen: Der Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) kommt daher wie ein typischer Vertreter des modernen Managements. In seinen Reden holt er gern ein wenig aus – mit kleinen Anekdoten oder mit Metaphern aus der Musik, die nie recht den Punkt treffen wollen, bei Technokraten und Funktionären als Ausweis umfassender Bildung gelten.

Bei aller Vorsicht und Bescheidenheit im Auftritt lässt sich über der schmalen Krawatte immer auch eine leise Blasiertheit ahnen. Der kann auch anders, ist der Eindruck, der sich aufdrängt. Die Bahn, der Kern seit 2010 vorsteht, ist in Österreich eine tragende Säule der „roten Reichshälfte“: Hier regieren starke Betriebsräte und Gewerkschaften, und für die „Schwarzen“, die traditionell bei der Post das Sagen haben, ist die Bahn auch ein rotes Tuch: Verluste hier fallen immer der SPÖ auf die Füße.

Ein erfolgreicher Sanierer

Wie Rache nahm sich 2003 da die große Bahnreform aus, mit der die damals „schwarz-blaue“ Regierung das Staatsunternehmen zerschlug und seiner Aktiva beraubte. Kerns Vorgänger, ein strammer ÖVP-Mann, nutzte seine Stellung, sich beinahe wöchentlich mit der nun wieder „roten“ Regierung anzulegen. Erst Kern schaffte es, die Bahn aus den tagespolitischen Scharmützeln wieder herauszuholen, schloss Friede mit der Gewerkschaft und sanierte erfolgreich: Nach dreistelligen Millionenverlusten schreiben die ÖBB – bei kräftigen Subventionen – wieder schwarze Zahlen.

Der Chef trat als höflicher, stilvoller Kommunikator auf, stellte zwar sein Licht nie unter den Scheffel, ließ seine Teilnahme an politischen Kontroversen aber immer nur leicht anklingen. Aus dem Zwischenreich zwischen Politik und Wirtschaft hat die SPÖ früher ihr wichtigstes Personal rekrutiert, darunter zwei Kanzler. Vor allem an Franz Vranitzky, den roten „Sir“, erweckt Kern Erinnerungen. Der Sohn eines Elektroinstallateurs und einer Sekretärin startete früh, landete nach kurzem Publizistik-Studium und einer Episode als Journalist im karriereträchtigen Büro eines SPÖ-Politikers. Wenn andere sich am Wochenende mit einer knurrigen Basis stritten oder Säle voller Rentner besuchten, stieg Kern auf sein Mountainbike. Nach seinen Jahren in großen Konzernen ist der Ehemann einer Unternehmensberaterin für den Provinzialismus, der bis weit in die Partei breit macht, nicht empfänglich. Was er ihr stattdessen bieten könnte, hat er aber bisher nicht erkennen lassen.