Sieben Jahre nach der Ermordung ihres Sohnes Yvan blicken Fabienne und Pierre Schneider nach vorne. Eine Form von Alltag sei möglich, wenn auch anders als vorher.

Kernen – Der Urlaub in der Heimat Elsass, das Wandern in den Bergen, hat Fabienne und Pierre Schneider gut getan und Kraft gegeben für den schweren Gang, den sie an diesem Donnerstag vor sich haben. Wie in jedem Jahr werden sie gemeinsam mit Verwandten und Freunden zur Streuobstwiese bei der Villa Rustica in Rommelshausen gehen, jenem Platz, an dem ihr Sohn Yvan Schneider am 21. August 2007 ermordet wurde.

 
Manche sagen, sieben Jahre seien einen lange Zeit...?
Fabienne Schneider: Ich kann es gar nicht sagen, ob es für mich lang oder kurz ist. Die Qualität der Zeit hat sich seit jenem Tag verändert.
Die Menschen sind – sofern sie nicht direkt betroffen sind – zur Tagesordnung übergegangen. Ist auch in Ihrem Leben eine Art von Alltag eingekehrt?
Fabienne Schneider: Es ist etwas Ruhe eingekehrt, und das ermöglicht eine Form von Alltag, wenn auch anders als vorher.
Pierre Schneider: Mittlerweile haben wir uns Schubladen zugelegt, in die wir Dinge verschließen können, und die wir nur noch öffnen, wenn wir es wollen. Wenn aber Menschen uns immer nur als die unglücklichen Eltern sehen, da werde ich richtig böse, auch wir haben wieder glückliche Momente und Freude am Leben, und das brauchen wir auch.
Ihre Welt ist seit dem Tag, an dem Ihr Sohn starb, nicht mehr dieselbe. Haben Sie den Eindruck, dass sich auch die Welt um sie herum durch diese Tat verändert hat?
Pierre Schneider: Ich beobachte, dass die Gesellschaft seitdem sogar immer noch gewaltbereiter geworden ist. Fast täglich ist von Schlägereien in Stuttgart zu lesen, als sei es etwas völlig Normales. Das ist wie eine Banalisierung des Schrecklichen. Ich empfinde das auch als eine moderne Form des Krieges.
Was geht in Ihnen vor beim Gedanken an die Täter?
Fabienne Schneider: Ich denke oft an sie, und ich bin wirklich froh darüber, dass die beiden Haupttäter noch eine Weile weggesperrt sind. Zumindest hoffen wir das, denn wir haben nichts davon gehört, dass einer der beiden eine Haftverkürzung bekommen wird.
Pierre Schneider: Unser Ziel ist es dennoch, 2017, wenn die beiden aus dem Gefängnis kommen, möglichst nicht mehr hier zu sein. Wir wollen zurück in unsere Heimat Elsass, in das Haus, in dem Yvan geboren wurde und die ersten drei Jahre aufwuchs. Wir fühlen uns dort sehr wohl.
Sie haben einmal gesagt, dass Ihre Strafe eine lebenslange ist...
Fabienne Schneider: Ja, und deshalb empfinde ich die zehn Jahre Jugendstrafe als viel zu wenig. Wenigstens 20 Jahre sollten die Mörder im Gefängnis sitzen, dann ginge es mir etwas besser. Es bringt mir zwar meinen Sohn nicht mehr zurück, aber damit wäre ein Exempel statuiert und ein Zeichen gesetzt worden.
Pierre Schneider: Ich war anfangs auch voller Zweifel, aber ich setze jetzt mein Vertrauen in die Justiz und die Experten. Sie haben genau hingeschaut und bemerkt, dass der Haupttäter gefährlich ist. Dass er nach seiner Entlassung in die Türkei abgeschoben wird und zehn Jahre nicht nach Deutschland einreisen darf, ist für mich eine kleine Beruhigung. Aber ich versuche nicht allzu oft an die Täter zu denken.
Welche Art von Strafe für einen Mord wie dem an Ihrem Sohn käme für Sie einer gerechten am nächsten?
Pierre Schneider: Gefängnisstrafen sind wohl nie der richtige Weg. Dort passiert nichts. Besser wäre es, diese Menschen mit sich selbst zu konfrontieren und mit ihrer Tat. Und ich würde sie viel arbeiten lassen, denn ich glaube an die Wirkung von Arbeit.
Fabienne Schneider: Eine gerechte Strafe gibt es nicht, und auf keinen Fall ist es die Todesstrafe. Aber das Gefängnis wird die Täter auch nicht zum Positiven verändern.
Mit welchen Gefühlen gehen Sie an diesem Donnerstag zum Tatort, der Streuobstwiese bei der Villa Rustica?
Pierre Schneider: Yvan trägt uns, auch jetzt noch. Er ist immer da, aber wir müssen auch wieder nach vorne und nach uns schauen und unser Glück finden.
Fabienne Schneider: Dieses gemeinsame Erlebnis ist wichtig, so wichtig wie das jährliche Gedenkturnier der Handballer am 6. Januar. Aber wir können nicht mehr nur von Jahrestag zu Jahrestag leben, wir sind jetzt in einer Phase, in der wir uns wieder mehr um uns selbst kümmern können und wollen.