Seit mehr als 500 Jahren steht die Dorfmühle im Zentrum von Kernen. Bis in die 1970er Jahre war sie in Betrieb. Jetzt soll die Mühle aus dem Dornröschenschlaf erwachen und eventuell eine Rolle bei der Remstal Gartenschau 2019 spielen.

Eigentlich fehlt nur das Wasser aus dem mittlerweile zugeschütteten Bach und der Müller, der den Riemen wieder auflegt und die Räder zum Laufen bringt. In der Dorfmühle in Stetten ist vor knapp 40 Jahren die Zeit stehen und alles so liegen geblieben wie es war. Bis dahin hat Oskar Schlegel in der Mühlstraße 15 Getreide gemahlen, Mehl abgefüllt und verkauft. Dann war Schluss.

 

Die Mühle soll aus dem Dornröschenschlaf erwachen

„Es hat sich nimmer gelohnt“, weiß Klaus Häcker vom Heimatverein Kernen. Er und Andreas Stiene haben sich mit der Geschichte der Dorfmühle beschäftigt und Interessantes zutage gefördert. Sie soll aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen, eventuell sogar bei der Remstal Gartenschau 2019 eine Rolle spielen, aber auf jeden Fall als Wohnhaus für Andreas Idler und seine Lebensgefährtin Lena Wolf dienen. Die beiden jungen Leute haben das Gebäude, das aus dem 16. Jahrhundert stammt, gekauft. Für Andreas Idler ist es ein Stück Familiengeschichte, seine Oma Helga Idler ist die Schwester von Oskar Schlegel, dem letzten Dorfmühlen-Müller.

Die oberen Stockwerke sollen bewohnt werden

Vier Generationen waren die Schlegels auf der Mühle. Nachdem der Betrieb eingestellt war, wurde dort noch bis 1992 ein Mehlhandel betrieben. Nun wollen Andreas Idler und Lena Wolf die unteren beiden Stockwerke, in denen noch die gesamte Mühlentechnik original erhalten ist, als Museum für Besucher herrichten und die oberen beiden Stockwerke selbst bewohnen. So wie es Marianne Schlegel bis zu ihrem Tod gemacht hat. Ihre Vorhänge hängen noch an den Fenstern, die Mehlschaufel ihres Mannes liegt zwei Stockwerke tiefer neben der Sackstation, in einer Ecke liegen noch die weißen Papiersäcke mit der roten Aufschrift „Weizenmehl“.

Alle Elemente, die zu einer funktionsfähigen Mühle gehören, sind noch da, sagt Andreas Stiene, Mitglied im Heimatverein und von Berufs wegen beim Landesamt für Denkmalpflege tätig. Der Raum, in dem das Mühlrad sich drehte, ist jetzt aus Sicherheitsgründen abgesperrt, wird aber am 13. September geöffnet. Das Rad hatte wohl einen Durchmesser von sechs bis sieben Metern. Die Getreideschütten, Trichter, die Wasserstube, der Antriebsraum, die Sackstation, der Schrotgang – alles ist im Innern des Gebäudes da und erscheint auf den ersten Blick gut erhalten. Noch scheint der Holzwurm in den dicken Balken nicht nach Nahrung zu suchen.

Das Gebäude wird in die Ortssanierung aufgenommen

Ganz aktuell hat die Gemeinde Kernen das Gebäude in die Ortssanierung aufgenommen. Das Büro Markus Numberger für Bauforschung und Denkmalschutz aus Esslingen wurde damit beauftragt, eine Bestandsaufnahme der Mühlentechnik zu machen, dies geschah bereits 2013. Ebbe Kögel hat einen Dokumentarfilm gedreht, in dem er nicht nur über das Arbeiten in der Mühle erzählt, sondern auch mit Marianne Schlegel über ihr Leben als Müllersfrau redet. Der Film wird am Tag des offenen Denkmals, 13. September, im Nachbarhaus gezeigt, wo die Tochter von Marianne Schlegel wohnt. Im Backhäusle, das gleich um die Ecke ist, backen an diesem Tag die Landfrauen, sodass die Besucher mit Holzofenbrot und Süßmost verköstigt werden.

„Nach Zirkel, Winkel, Lot und Blei dreht sich die ganze Müllerei“, daran hielten sich früher die Müller. In Stetten gab es drei Bann-Mühlen; die Dorfmühle und die Seemühle – sie wurde 1794 über eine Vorgängermühle gebaut – sind noch erhalten, die Obere Mühle besteht nicht mehr. Die älteste scheint die Dorfmühle zu sein. In großen Lettern steht ihr Name auf die Hausfassade gemalt. Links von der Eingangstür, „unter dem Sims eines ehemaligen Doppelfensters, erkennt man die Jahreszahl 1621“, sagt Andreas Stiene. Über dem Bogen des großen hölzernen Eingangstores kann man die Jahreszahl 1580 beziehungsweise 1583 in Stein geritzt lesen. Dort ist auch noch das Wappen der Familie Thumb von Neuburg rudimentär erhalten.

Ein Schriftstück von 1494 weist auf die Mühle hin

Vor über 500 Jahren wurde zum ersten Mal auf die Dorfmühle hingewiesen, in einem Schriftstück aus dem Jahr 1494. „Wenn die Bäckereien in den 1970er Jahren nicht begonnen hätten, sich ihr Mehl in Silos bringen zu lassen, dann gäbe es die Dorfmühle in ihrer eigentlichen Funktion vielleicht heute noch“, sagt Klaus Häcker und denkt dabei an die Hegnacher Mühle. „Eigentlich hatte die Dorfmühle im alten Stetten einen zentralen Platz.“ Der soll ihr auch in Zukunft nicht genommen werden, versichern Andreas Idler und Lena Wolf, die auch weiterhin den Dorfwinkel bei Festen zur Verfügung stellen wollen.