Deutschland will, dass auch die Schweiz ihre alten AKWs in Grenznähe abschaltet. Die stellt sich quer. Droht nun eine Klage?  

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Konstanz - Die Mühsal der Tagespolitik hat Siegfried Lehmann nach der gewonnenen Landtagswahl schnell wieder eingeholt. "Es haben sich einige Probleme angesammelt, die für die Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz nicht gerade förderlich sind," sagt der Konstanzer Landtagsabgeordnete der Grünen. Gestritten wird seit Jahren über den Fluglärm und über ein mögliches Atomendlager auf Schweizer Seite, nach der Katastrophe in Japan ist nun auch das Atomkraftwerk Beznau zum Zankapfel geworden.

 

Während in Deutschland die alten Meiler vom Netz genommen wurden, sehen die Eidgenossen vorerst keine Veranlassung, alte AKWs abzuschalten. Beznau ist seit mehr als 40 Jahren in Betrieb und nur rund zehn Kilometer von der Grenze entfernt. Zwar wurde nach der Katastrophe in Fukushima die Planung für weitere Kraftwerke vorerst auf Eis gelegt, doch weigert sich Bern, an dem EU-weiten Stresstest für die Kraftwerke teilzunehmen, was in Deutschland auf Unverständnis stößt.

Die Axpo Holding AG, Betreiber des Meilers in Beznau, wehrt sich vehement gegen den immer wieder erhobenen Vorwurf, das AKW entspreche nicht den Sicherheitsstandards. "Diese Aussagen sind für uns nicht nachvollziehbar", erklärt Axpo-Sprecher Beat Römer. "Das Kernkraftwerk Beznau wurde seit seiner Inbetriebnahme umfassend sicherheitstechnisch nachgerüstet." Wichtigste Verbesserungen seien die gebunkerten Notstandssysteme, die in der Lage seien, die Anlage nach einer Abschaltung autonom zu steuern, unterstreicht Römer. "Die Anlagen sind gegen Erdbeben und vor Überschwemmungen geschützt. Die regelmäßigen Nachrüstungen des Kernkraftwerks Beznau haben einen Investitionsumfang von insgesamt 1,5 Milliarden Franken. Dies entspricht fast der dreifachen Summe der Erstinvestitionen." Die Weigerung Berns, an dem EU-weiten Stresstest teilzunehmen, will Beat Römer nicht kommentieren. Das sei Sache des Schweizer Bundesamtes für Energie.

Deutschland will sich mit der Weigerung nicht abfinden

Doch die deutsche Seite will sich mit der Weigerung der Schweiz nicht abfinden. Vor allem Ulrich Kelber, der umweltpolitische Sprecher und stellvertretende Vorsitzende der SPD in Berlin, sorgte in diesen Tagen auf Seiten der Eidgenossen für einige Furore. Der Politiker stellte in der Schweizer "Sonntagszeitung" Überlegungen an, dass Deutschland in Sachen Atompolitik gegen den Nachbarn mit einer Staatsklage vorgehen müsse. Für ihn ist die Blockadehaltung bei den Stresstests nicht nachzuvollziehen. "Die Schweiz kann doch nicht einfach sagen, dass ihre Kraftwerke sicher sind", sagt er, "zumal wir in Deutschland bei baugleichen Meilern wie dem in Beznau Sicherheitsmängel entdeckt haben."

In Bern sieht man diese Drohung allerdings mit Gelassenheit. "Voraussetzung für die Einreichung einer Staatsklage gegen die Schweiz ist eine Verletzung des Völkerrechts", erklärt Adrian Sollberger, der Sprecher des Schweizer Außenministeriums. "Im Fall des Kernkraftwerks Beznau ist eine solche nicht ersichtlich."

Siegfried Lehmann hält die Lage für einigermaßen verfahren, hofft aber, dass es gangbare Auswege gibt. Der Grünen-Politiker und sein SPD-Bundeskollege Kelber glauben, dass die Ökonomie der Ökologie den Weg bahnen könnte. "Grenzüberschreitende Partnerschaften würden beiden Ländern große Vorteile bringen", sagt der Sozialdemokrat. Die Schweiz sei etwa prädestiniert für den Bau von Pumpspeicherkraftwerken. Diese Anlagen könnten von beiden Staaten finanziert werden und die Schweiz könnte dann den produzierten Strom mit Gewinn verkaufen.

In diesem Zusammenhang geht dem Grünen Lehmann sogar mit etwas Mühe ein Lob für den deutschen EU-Energiekommissar Günther Oettinger über die Lippen. Was der CDU-Mann in Sachen Ausbau der transnationalen Stromnetze mache, sagt er, sei gar nicht schlecht.