Eine Initiative will das Kernerviertel aufwerten – eine Ausstellung über die Entwicklung des Quartiert macht den Anfang – mit teils erstaunlichen Einblicken in die Geschichte.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart -

 

Der Schützenplatz im Kernerviertel ist etwas Besonderes. Ungewöhnlich ist die Form der Fläche, gewöhnlich deren Nutzung: Auf dem größtenteils von großbürgerlichen Häusern umstandenen Areal parken ganz profan Autos. Doch die Anwohner des gründerzeitlichen Viertels haben Hoffnung geschöpft. Auf bunten Plänen der Stadt ist ein Großteil der Parkbuchten einem gestalteten Platz gewichen.

Eine ehemalige Getränkehandlung als Ausstellungsfläche

Die Zeichnungen hängen in der Casa. Dahinter verbirgt sich eine ehemalige Getränkehandlung am Schützenplatz, in deren Räumen Besucher seit Ende der vergangenen Woche eine Reise in die Vergangenheit des Kernerviertels machen können. Vergrößerte Postkarten aus privaten Sammlungen – darunter der von Michaela Klapka – zeigen das Quartier, wie es in seiner Entstehungszeit ausgesehen hat. Klapka, die auch im Netzwerk Kernerviertel – einem Zusammenschluss von Stuttgart-21-kritischen Anwohnern – aktiv ist, gehört zu den Initiatorinnen der Casa. Die Ausstellung ist ein Versuchsballon, was alles möglich ist, in den Räumen. So viel Engagement spricht sich herum. Das Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur der Uni begleitet das Projekt, Studenten der Filmakademie Ludwigsburg haben dort für eine Dokumentation über „Neue Nachbarn“ gedreht.

Auf den gezeigten Bildern im Inneren des ehemaligen Ladenlokals entfaltet das Kernerviertel seinen ganzen Reiz und kontrastiert damit zur zugeparkten Ödnis auf dem Platz davor. „Ins Kernerviertel zog das Bürgertum, das dem Mief im Talkessel entkommen wollte“, erklärt Klapka. 1860 sei die damalige Neckarstraße als Prachtboulevard fertiggestellt worden. In den Folgejahren wuchs die Bebauung die ehemaligen Weinberge hinauf bis auf Höhe der heutigen Hausmannstraße. Doch für Klapka ist das Kernerviertel eben nicht nur diese Seite der zur mehrspurigen Verkehrsader gewordenen heutigen Willy-Brandt-Straße. Einige Bilder widmen sich auch der stadtzugewandten Seite. Dort im Park standen ebenfalls entlang der Straße Gebäude. Zu fast jedem weiß Klapka eine Geschichte zu erzählen, in der Ausstellung geben kurze Texte Aufschluss über das Gezeigte. Eigentlich möchte Michaela Klapka bei der Ausstellung Stuttgart 21 außen vor lassen – und kommt doch nicht ganz umhin. Denn dass das Kernerviertel mit den Folgen des Tunnelbaus zu kämpfen hat, ist keine ganz neue Erfahrung. Die Hobby-Ausstellungsmacherin zeigt das Bild eines Hauses auf dem Zwickel zwischen Urban- und Schützenstraße. Das Gebäude gibt es heute nicht mehr. Es musste dem Bau des Wagenburgtunnels weichen. Den Mineuren war der Untergrund nicht geheuer. Sie begannen die Röhre nicht am heutigen Portal, sondern trieben eine Schneise ins Kernerviertel, mauerten den Tunnel und schütteten die Grube wieder zu. Der nächste Schritt zum neuen Schützenplatz soll am 9. Februar gegangen werden. Dann stellen Vertreter des Uni-Reallabors ihre Überlegungen zu sogenannten Parklets im Bezirksbeirat vor. Das sind Parkplatzflächen, die temporär zu Aufenthaltsorten umgestaltet werden. Erste Versuche gab es schon. Damit der Parkplatz wirklich zum Platz wird.