2019 oder 2020 soll alles zusammengesetzt sein, die ersten Teile werden im nächsten Jahr aus aller Welt herangekarrt. 2027 soll die Sonne von Cadarache leuchten – 42 Jahre nachdem US-Präsident Ronald Reagan und sein sowjetischer Counterpart Michail Gorbatschow das nach der internationalen Raumstation zweitgrößte Forschungsprojekt der Welt ins Leben gerufen haben. An diesem Tag ist Politprominenz auf der Baustelle. Der EU-Kommissar Günther Oettinger hat alle Energieminister der Teilnehmerstaaten eingeladen, um den Baufortschritt zu begutachten und in finanziell schwieriger Zeit den Glauben zu bewahren. „Der Abstand zur Realisierung wird geringer“, sagt der Deutsche: „Unsere Fachleute sind sicher: Eines nicht fernen Tages wird es funktionieren.“

 

Das bestreiten in dieser Allgemeingültigkeit die wenigsten. Die große Frage ist, wann die Allgemeinheit etwas davon hat, wann also der Strom aus der Steckdose aus Sonnen auf der Erde kommt. Da gehen die Meinungen weit auseinander. „Die Kernfusion kann im Energiemix 2040 eine Rolle einnehmen“, sagt Oettinger. Der heute 58-jährige Janeschitz meint, er „müsste schon ganz schön alt werden, um das noch zu erleben“. Es werde darauf ankommen, so der Kernforscher, „wie ernsthaft die Menschheit diese Energiequelle braucht“. Rebecca Harms spricht daher von „abgehobener Großforschung, von der niemand sagen kann, wann es um eine kommerzielle Nutzung geht“. Und auch der Bundesregierung geht es, „eher um Grundlagenforschung“, wie ein EU-Diplomat das ausdrückt.

In Cadarache zweifelt niemand an der Kraft der Sonne. Im Kleinen hat es schließlich schon funktioniert, Sonnenplasma künstlich zu erzeugen und 16 Megawatt zu produzieren. Janeschitz erinnert an den 9. November 1991, als Forschern über zwei Sekunden die erste kontrollierte Kernfusion der Geschichte gelang. Dass die Forschung aber längst nicht alle Fragezeichen beseitigt hat, hören Besucher bestenfalls in Andeutungen – etwa wenn Iter-Generaldirektor Osamu Motojima, ein hochaufgeschossener freundlicher Herr, vom „technologischen Risiko“ für das Projekt spricht. Mehr aber erzählt er nicht darüber.

Kernfusion ist nicht ungefährlich

Einige Kilometer weiter den Fluss Verdon hinauf dagegen sprudelt es. Nicht nur aus den Quellen von Gréoux-les-Bains, sondern auch aus Klaus Janberg. Der Deutsche, der die Hälfte des Jahres in dem kleinen Kurort wohnt, redet wie ein Wasserfall. Minutiös hat er die 3600 Seiten des Sicherheitsberichts studiert, die vor Erteilung der Baugenehmigung in den Rathäusern der Gegend auslagen. Er kommt zum Schluss, dass die Kernfusion, wiewohl es keine atomare Kettenreaktion geben kann, nicht ungefährlich ist – wenn sie überhaupt gelingt.

Was ist mit dem Energieerhaltungssatz, einem der wenigen Bruckstücke aus dem Physikunterricht, an das sich der Gast erinnern kann? Gilt der hier nicht? Günter Janeschitz muss lachen über so viel Ahnungslosigkeit. „Doch natürlich“, sagt er, um dann aber doch auf einen gewissen Albert Einstein zu verweisen: „Schon mal was von e = mc² gehört?“ Die Jahrhundertformel, die erklärt, dass Masse in Energie umgewandelt werden kann, soll hier zur Anwendung kommen. Die Stoffe Tritium und Deuterium, die in der Maschine aufeinandergejagt werden, sind schwerer als die Endprodukte, Helium und freie Neutronen. Wenn sie auf die Außenwand der Kammer treffen, erhitzt sich diese zusammen mit der Flüssigkeit dahinter, die dann in einer Turbine Strom erzeugen könnte.

Bisher ist da nur eine Baugrube, so groß wie zwei Fußballfelder. Eine Schotterpiste führt hinunter. Zwei Seitenwände des Gebäudes, das die 23 000 Tonnen schwere Wundermaschine einmal beherbergen soll, sind schon in Beton gegossen. Das ist schon einmal eine Sache für sich. „Wegen des radioaktiven Tritiums darf es keinerlei Risse geben“, erzählt Laurent Schmieder, der Bauleiter. Jedes Mal, wenn der Betonmischer angeworfen wird, rückt die Atomaufsicht an – so auch beim Fundament mit den kreisförmig angeordneten Stahlträgern darin. Es ruht auf elastischem Hartgummi, weil Cadarache in einem Erdbebengebiet liegt, was Iter-Kritiker wie die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms als „Irrsinn“ bezeichnen. „Die eigentliche Schwierigkeit bei diesem Bau liegt woanders“, beharrt dagegen Schmieder, ein Mittvierziger, der zuvor Atomanlagen in Nowosibirsk auseinandergenommen hat: „Es gibt 60 000 Verbindungen zwischen den Wänden und der Maschine, die passen müssen, obwohl deren Komponenten noch entworfen werden. Das ist sehr komplex, und wir müssen immer wieder warten.“

2027 soll der Kernfusionsreaktor laufen

2019 oder 2020 soll alles zusammengesetzt sein, die ersten Teile werden im nächsten Jahr aus aller Welt herangekarrt. 2027 soll die Sonne von Cadarache leuchten – 42 Jahre nachdem US-Präsident Ronald Reagan und sein sowjetischer Counterpart Michail Gorbatschow das nach der internationalen Raumstation zweitgrößte Forschungsprojekt der Welt ins Leben gerufen haben. An diesem Tag ist Politprominenz auf der Baustelle. Der EU-Kommissar Günther Oettinger hat alle Energieminister der Teilnehmerstaaten eingeladen, um den Baufortschritt zu begutachten und in finanziell schwieriger Zeit den Glauben zu bewahren. „Der Abstand zur Realisierung wird geringer“, sagt der Deutsche: „Unsere Fachleute sind sicher: Eines nicht fernen Tages wird es funktionieren.“

Das bestreiten in dieser Allgemeingültigkeit die wenigsten. Die große Frage ist, wann die Allgemeinheit etwas davon hat, wann also der Strom aus der Steckdose aus Sonnen auf der Erde kommt. Da gehen die Meinungen weit auseinander. „Die Kernfusion kann im Energiemix 2040 eine Rolle einnehmen“, sagt Oettinger. Der heute 58-jährige Janeschitz meint, er „müsste schon ganz schön alt werden, um das noch zu erleben“. Es werde darauf ankommen, so der Kernforscher, „wie ernsthaft die Menschheit diese Energiequelle braucht“. Rebecca Harms spricht daher von „abgehobener Großforschung, von der niemand sagen kann, wann es um eine kommerzielle Nutzung geht“. Und auch der Bundesregierung geht es, „eher um Grundlagenforschung“, wie ein EU-Diplomat das ausdrückt.

In Cadarache zweifelt niemand an der Kraft der Sonne. Im Kleinen hat es schließlich schon funktioniert, Sonnenplasma künstlich zu erzeugen und 16 Megawatt zu produzieren. Janeschitz erinnert an den 9. November 1991, als Forschern über zwei Sekunden die erste kontrollierte Kernfusion der Geschichte gelang. Dass die Forschung aber längst nicht alle Fragezeichen beseitigt hat, hören Besucher bestenfalls in Andeutungen – etwa wenn Iter-Generaldirektor Osamu Motojima, ein hochaufgeschossener freundlicher Herr, vom „technologischen Risiko“ für das Projekt spricht. Mehr aber erzählt er nicht darüber.

Kernfusion ist nicht ungefährlich

Einige Kilometer weiter den Fluss Verdon hinauf dagegen sprudelt es. Nicht nur aus den Quellen von Gréoux-les-Bains, sondern auch aus Klaus Janberg. Der Deutsche, der die Hälfte des Jahres in dem kleinen Kurort wohnt, redet wie ein Wasserfall. Minutiös hat er die 3600 Seiten des Sicherheitsberichts studiert, die vor Erteilung der Baugenehmigung in den Rathäusern der Gegend auslagen. Er kommt zum Schluss, dass die Kernfusion, wiewohl es keine atomare Kettenreaktion geben kann, nicht ungefährlich ist – wenn sie überhaupt gelingt.

Der Mann ist kein Atomkraftgegner. „Ich bezeichne mich noch immer als Nukie“, sagt der ehemalige Chef der Essener Gesellschaft für Nuklear-Service, der die Castorbehälter, das atomare Zwischenlager Gorleben und den Schnellen Brüter in Kalkar mitentwickelt hat. Nur von der Kernfusion hält er wenig.

Er beginnt mit den Disruptionen. Sonnenplasma kann instabil werden, wodurch die Elektronen extrem beschleunigt auf die Wand der Magnetkäfigs treffen und explodieren. „Beim Iter entspräche das einer Sprengladung mit 200 Kilogramm TNT“, erzählt Janberg. Die Außenhaut werde selbst im Normalbetrieb dauernd mit Neutronen beschossen. „Die machen die Wand brüchig, weshalb sie ständig ausgetauscht werden müsste.“ Auch die Flüssigkeit dahinter werde radioaktiv verseucht und müsse entsorgt werden. „Diese Materialfrage“, sagt der Rentner, „ist völlig ungelöst.“ Abgesehen davon werde Iter, dessen Wärme nur verdampfen soll, nie Elektrizität zu produzieren, sondern nur zeigen, dass es möglich ist. „Wir wollen doch Strom und nicht die Physiker lustig halten.“

Nur die Chinesen sind euphorisch

Die Runde der Minister lächelt in die Kameras. Sie und der japanische Iter-Generaldirektor Osamu Motojima scheinen froh zu sein, dass sie der zahlenden Öffentlichkeit nun etwas zeigen können. Zu Hause Geld lockerzumachen, das andernorts fehlt, ist schwer, wenn erst die Kinder oder Enkel der Wähler etwas davon haben und das noch nicht einmal sicher ist.

Am kritischsten sind die USA, die ein riesiges Haushaltsloch haben und zugleich mit Schiefergas ihr Energieproblem vorerst gelöst haben. „Es gibt keinen Blankoscheck“, sagt Edmund Synakowski vom Washingtoner Energieministerium: „Wir werden Kosten und Nutzen genau prüfen.“ Auch der EU-Kommissar muss werben: „Wir geben im Jahr Hunderte von Milliarden Euro für Öl und Gas aus“, lautet Oettingers Relativitätstheorie. Gemessen daran sei die Suche nach einer Alternative doch „jede Anstrengung“ und sechs bis sieben Milliarden Euro wert. Am Dienstag stimmt das Europäische Parlament über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU bis zum Jahr 2020 ab. Der Vorschlag sieht 2,707 Milliarden Euro für Iter vor.

Euphorisch ist nur der Chinese, den bekanntlich keine Geldsorgen plagen. „Wir haben 50 Prozent der Menschheit versammelt, um diese Maschine zu bauen“, sagt das Pekinger Regierungsmitglied Jianlin Cao pathetisch: „Wir brauchen mehr Projekte wie Iter und weniger Kriege.“