Die Vertreter der Bürgerinitiativen gegen das Kernkraftwerk Neckarwestheim üben heftige Kritik an der Info-Kommission, die das Land vor drei Jahren gegründet hat. Auch der BUND prüft, ob er aus dem Gremium aussteigt.

Kreis Ludwigsburg - Franz Wagner ist enttäuscht. Drei Jahre, nachdem das baden-württembergische Umweltministerium eine Info-Kommission zum Atomkraftwerk (AKW) Neckarwestheim ins Leben gerufen hat, haben er und seine Mitstreiter vom Bund der Bürgerinitiativen mittlerer Neckar (BBMN) eine Bilanz gezogen – und beschlossen, das Gremium zu verlassen.

 

Von Anfang an habe er Bauchschmerzen gehabt, überhaupt Teil der Gruppe zu werden, sagt Wagner. Nun sehe er seine Vorbehalte bestätigt. Denn seit Beginn ihrer Arbeit habe die Kommission kein Interesse an einer echten Bürgerbeteiligung gehabt, im Gegenteil: „Es wurde als Einbahnstraße eingerichtet“, sagt Wagner. „Kritische Beiträge waren nicht erwünscht und blieben unbeachtet“, sagt Hans Heydemann, der gemeinsam mit Wagner die Initiativen in dem Gremium vertreten hat.

Gegründet wurde das Informations-Forum, um öffentlich über das Kernkraftwerk Neckarwestheim und alle sicherheitsrelevanten Belange zu informieren und zu diskutieren. „Transparenz“ hieß das oberste Ziel des Umweltministeriums. Neun Mal haben sich die 16 Mitglieder, darunter Bürgermeister, Landtagsabgeordnete, die Landräte aus Ludwigsburg und Heilbronn sowie Vertreter der Industrie- und Handelskammer, seither getroffen – für die Bürgerinitiativen offenbar mit einem unbefriedigenden Ergebnis. Mehr als 20 Punkte umfasst die Liste, auf der sie ihre Fundamentalkritik an der Kommission zusammenfasst. Dabei sind Vorwürfe, die sich an das Verfahren und die Satzung richten, aber auch schwerwiegende inhaltliche Anschuldigungen. So sei der Hauptzweck der Kommission aus Sicht der AKW-Gegner, Positionen zu präsentieren, die einen Weiterbetrieb des Kraftwerks rechtfertigten.

Die meisten Vorwürfe richten sich gegen das Ministerium

Auch greife das Umweltministerium – obwohl nicht Teil der Kommission – immer wieder ein. Bemängelt wird auch der Rahmen, sprich die Geschäftsordnung. Laut der AKW-Gegner um Franz Wagner seien die Bürger völlig unterrepräsentiert, der Veranstaltungsort für die Treffen in Neckarwestheim sei zu abgelegen, Besucher hätten in den Runden kein Fragerecht.

Die meisten Vorwürfe richten sich gegen das Umweltministerium von Franz Untersteller (Grüne). Dort bedauert man den Rückzug der Bürgerinitiativen, wehrt sich aber gegen die umfassende Kritik. Die Kommission sei geschaffen worden, um miteinander ins Gespräch zu kommen, sagt der Sprecher Ralf Heineken. Das könne nur gelingen, wenn man auch miteinander reden wolle. Durch den Ausstieg würden sich die Initiativen der Chance berauben, die Diskussion in ihrem Sinne zu beeinflussen. „Die Kritik der BBMN ist in weiten Teilen geprägt von Frustration und leider in Teilen auch schlicht unzutreffend“, meint der Sprecher des Ministers.

Auch der BUND kritisiert die Info-Kommission

Gleichwohl betrachtet nicht nur der BBMN die Arbeit der Kommission kritisch. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) stellt Bedingungen für eine weitere Zusammenarbeit. Das Ziel, mehr Transparenz zu schaffen, sei in den vergangenen drei Jahren nicht erreicht worden, schreibt Jürgen Hellgardt, der Vorsitzende des Regionalverbandes Heilbronn-Franken, in einer offenen Erklärung. Er fordert grundsätzliche Änderungen bei der Vorgehensweise: Die Städte Stuttgart und Heilbronn sollen künftig stärker einbezogen werden, der Tagungsort soll zwischen Neckarwestheim, Heilbronn und Ludwigsburg wechseln, außerdem soll Bürgern ein Fragerecht eingeräumt werden.

Für den grünen Landtagsabgeordneten Daniel Renkonen aus Ludwigsburg kommt der Austritt der Bürgerschaftsvertreter überraschend. Viele der Kritikpunkte seien schon lange bekannt, meint Renkonen, der ebenfalls in der Kommission sitzt. Für ihn erklärt sich der Dissens auch durch ein Missverständnis: „Die Kommission ist kein parlamentarisches Gremium. Grundsätzliche Entscheidungen, zum Beispiel über die sofortige Abschaltung des AKWs, können dort nicht getroffen werden.“ Andere Forderungen, wie das Fragerecht für Bürger, hält Renkonen aber für sinnvoll.

Wie es nun weitergeht, ist nicht ganz klar. Eine Sitzung vor der Landtagswahl im kommenden März wird es nicht geben. Das Angebot zur Diskussion bestehe aber weiterhin, heißt es aus dem Ministerium.