Was treibt einen Mann so weit, dass er mit der Motorsäge auf Mitmenschen losgeht? Im beschaulichen Schaffhausen an der deutsch-schweizerischen Grenze sind die Menschen ratlos. Einschüchtern lassen wollen sie sich nicht.

Schaffhausen - Der Schauplatz einer irrwitzigen Attacke: Ein Buchladen, ein Dessous-Geschäft, dazwischen liegt auf der Einkaufsstraße von Schaffhausen der Eingang zu einem Bürogebäude. Hier sind unter anderem Versicherungen untergebracht. Auf eines dieser Büros hatte es der 50 Jahre alte Täter abgesehen. Mit einer Kettensäge drang er ein, verletzte zwei Mitarbeiter und flüchtete. Der Angriff habe sich gegen eine Versicherung gerichtet, sagen die Ermittler. Zu Motiven sagen sie nichts, der Mann gilt als psychisch labil. Die Anwohner hat die Attacke in ihrer beschaulichen Heimatstadt zunächst in Angst und Schrecken versetzt, aber aus der Ruhe bringen lassen wollen sie sich nicht, wie einige berichten.

 

Um 10.39 Uhr geht der Alarm bei der Polizei ein, kurz darauf sind die Beamten da und sperren die Kopfsteinpflaster-Straße ab. Hier herrscht eigentlich reges Treiben. Es ist die Einkaufszone der Stadt im schweizerisch-deutschen Grenzgebiet mit rund 35 000 Einwohnern, nahe am Bahnhof gelegen. Ein Brautmoden-Geschäft ist da, ein Schuhgeschäft, eine Kneipe, kleine Läden und Schnellrestaurants.

In Schaffhausen ist nie etwas

Die Polizei rückt mit Großaufgebot an, sie ruft die Leute in den Geschäften sofort auf, die Türen zu verriegeln und auszuharren. Eine Mitarbeiterin eines Modegeschäfts sagt, ihre Kollegin sei ganz nah dran gewesen und habe Videos gemacht: „Sie hat mir gesagt: das war schon sehr heftig“. Dann fügt sie hinzu: „So etwas passiert normalerweise bei uns nicht, in Schaffhausen ist nie etwas.“

In der Straße führen Polizeibeamte in Schutzweste und mit Helmen die Ermittlungen. Über den Köpfen kreist ein Helikopter. „Beunruhigend“, sagen zwei Anwohnerinnen am Absperrband mit Schweizer Understatement. „Als wir davon gehört haben, haben wir erstmal die Türen zugemacht und abgeschlossen.“ Nun wollen sie aber wissen, was passiert sei.

Ein paar Stunden nach der Tat ist der Täter zwar noch flüchtig, aber von Panik ist bei den Anwohner nichts zu spüren. „Wie lange dauert das denn noch?“, fragt ein Vater die Polizei ein bisschen genervt und zieht seinen Jungen vom Absperrband weg. „Das wissen wir noch nicht“, sagt der Beamte. Angst habe er nicht, sagt der Mann. „Wenn man zu viel über so etwas nachdenkt, wird man ja verrückt“, sagt er.

Mit dem Sicherheitsgefühl ist es so eine Sache

Am Nachmittag ist die Straßensperre dann irgendwann aufgehoben. Im Imbiss gegenüber dem Tatort sitzen nach kurzer Zeit schon wieder Gäste. Schaulustige bleiben vor dem Eingang stehen, aber die Polizei stellt Sichtwände auf, um ihre Ermittlungen in Ruhe fortsetzen zu können. Der Mitarbeiter eines Schmuckgeschäft kann erst nach Stunden wieder in sein Geschäft. Das sei in Ordnung, sagt er. „Wir waren ja froh, dass wir in Sicherheit gebracht wurden“, meint er.

Mit dem Sicherheitsgefühl ist es so eine Sache, nachdem die Polizei am Nachmittag über den psychisch labilen Täter berichtet hat. Sie hat ihn zunächst noch nicht gefasst. Er habe sich viel in Wäldern aufgehalten, und reagiere aggressiv, wenn er sich bedroht fühle, sagt der Einsatzleiter. Die Einwohner von Schaffhausen und Umgebung, auch hinter der deutschen Grenze, können trotz Großfahndung nicht beruhigt sein. Auch, wenn die Polizei nicht davon ausgeht, dass der Mann wahllos neue Opfer suche. Wer dem Mann begegne, solle ihm ausweichen, sagt Polizeieinsatzleiter Ravi Landolt. „Das würde genügen.“