Samara und Stuttgart, weiß Musicalstar Kevin Tarte nun, „sind definitiv Partner“: Ein Jahr vor der Fußball-WM ist die Wolga-Metropole voller Baustellen. Der legendäre „Krolock“ gab in der russischen Millionenstadt ein umjubeltes Konzert – und die Wirtin Laura Halding-Hoppenheit zeigte ihren Film gegen Homophobie.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Bis 1991 war Samara als Schaltstelle der Luft- und Raumfahrtindustrie eine „geschlossene Stadt“ – für Ausländer also gesperrt. 1942, als Hitlers Armee Moskau immer näher kam, ließ Stalin hier für sich den tiefsten Bunker der Welt errichten. Dieser zählt heute zu den Sehenswürdigkeiten für Touristen, die in der Millionenstadt vom grauen Russlandbild, das noch in manchen Köpfen ist, nicht viel mitbekommen. Die Delegation aus Stuttgart, die mit Bürgermeister Martin Schairer zur Feier des 25. Geburtstags der Städte-Ehe angereist war, fühlte sich an der Wolga-Promenade wie an der Riviera: Auf mehreren Kilometern ist Sand aufgeschüttet. Männer in Badehosen spielen Beachvolleyball, und Jugendliche rappen zur Musik aus dem Ghettoblaster.

 

Film gegen Homophobie in Samara gezeigt

Von „tollen Begegnungen“ berichtet der in Stuttgart lebende Musicalstar Kevin Tarte, der legendäre Krolock von „Tanz der Vampire“. Sein Konzert, das er mit den Philharmonikern von Samara gab, sorgte für Standing Ovations und schaffte es in die Abendnachrichten des dortigen Fernsehens. Der US-Amerikaner gab als Botschafter Stuttgarts ein Interview nach dem anderen. „Die Menschen in Samara sind herzlich und offen“, sagt Tarte nach seiner Rückkehr. Die „komplette Stadt“ werde saniert und umgebaut, erzählt er, der Baueifer hat ihn an das große Umgraben für Stuttgart 21 erinnert.

„Europäischer Musikstar“ stand auf den Plakaten, die mit seinem Konterfei überall in der Stadt hingen. Bei seinem Namen fehlte das letzte e. „Tart“ war zu lesen. Ein Plakat mit dem Bild der Stadträtin und Wirtin Laura Halding-Hoppenheit hing in einem Einkaufszentrum, in dem ihr Film „Laura – Das Juwel von Stuttgart“ vor etwa 70 Besuchern in einem Kino gezeigt worden ist. Regisseur Rosa von Praunheim würdigt in dieser Doku den Einsatz der „Schwulen-Mutter“ für Toleranz und gegen Homophobie. „Nach der Vorstellung haben wir zwei Stunden diskutiert“, berichtet die Wirtin. Das Thema ist in Russland politisch brisant. Kürzlich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Putin-Regierung vorgeworfen, Gesetze gegen Schwule beschlossen zu haben, die unvereinbar mit den Werten einer demokratischen Gesellschaft seien. „Habt Geduld“, sagte die Stuttgarter Wirtin den russischen Freunden, „auch bei uns hat es lange gedauert.“ Ihr Rat in Samara war,„mit kleinen Schritten“ für Toleranz zu kämpfen.

Nie mehr zweite Liga!

„Wenn Menschen sich kennen, ist für Vorurteile kein Platz“, sagte Bürgermeister Schairer. Eine Säule der Städte-Ehe ist der Schüleraustausch. Enge Beziehungen bestehen auch zwischen den Kirchengemeinden beider Städte. Das Gastgeschenk aus Stuttgart für Oleg Fursow, den OB der Fußball-WM-Stadt, war ein VfB-Schal. Triumphierend streckte dieser das Mitbringsel in die Höhe. Nie mehr zweite Liga! In der einst zugesperrten Stadt bejubelt man Fußball und internationale Freundschaft. Jetzt muss sich Russland noch weiter öffnen – für die Gleichstellung Homosexueller. Aber auch das ist vielleicht nur eine Frage der Zeit.