Die Stuttgarter Kickers haben einen Fußball-Nationalspieler. Randy Edwini-Bonsu stürmt für die kanadische Nationalmannschaft.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Mike Tyson ist den Sportfans noch ein Begriff. Der bullige Boxer aus dem Schwergewicht, der einem Konkurrenten auch schon mal ins Ohr biss. Man stelle sich diesen Kleiderschrank mal neben Randy Edwini-Bonsu vor, der zugegebenermaßen nicht ganz so bekannt wie Tyson ist als Drittligaspieler der Stuttgarter Kickers – und auch nur 1,68 Meter groß. So geschehen vergangene Woche anlässlich des Fußball-Länderspiels Kanada gegen Jamaika (3:1) in Toronto, wo Tyson als Gast der kanadischen Kicker auftrat.

 

Ein ungleiches Paar. Das kann in abgeschwächter Form auch auf den Drittliga-Fußballplätzen vorkommen. Allerdings mit gar nicht so schlechten Voraussetzungen für Edwini-Bonsu. „Gegen einen 1,90 Meter großen Innenverteidiger dribbelt er sich auch mal unter den Armen durch“, sagt der Kickers-Trainer Horst Steffen. Und nennt damit schon einen der Vorzüge des Profis. Er ist schnell, trickreich – „und hat auch noch einen guten Torschuss, rechts wie links“, wie Steffen betont. Was angesichts der körperlichen Voraussetzungen nicht unbedingt zu erwarten ist. Kurzum, so Steffen: „Er bereitet dem Gegner Stress.“

Auch an diesem Freitag (19 Uhr) gegen den VfL Osnabrück? Gut möglich, dass Edwini-Bonsu in die Startelf zurückkehrt. „Ich hoffe es“, sagt der Flügelflitzer, der bewusst das Risiko eingegangen ist, seinen Stammplatz zu verlieren, als er dem Lockruf von Kanadas spanischem Trainer Benito Floro folgte. „Die Einladung war mir wichtig“, gibt der 24-Jährige zu. Zumal er nach so langer Zeit auch wieder mal seine Eltern treffen konnte. Die nahmen den Dreieinhalbstunden-Flug aus Edmonton natürlich in Kauf.

Dort leben beide Elternteile, die ursprünglich aus Ghana stammen. Der Vater wanderte dann aus, nahm die Staatsbürgerschaft an, ehe im Alter von zwölf Jahren Randy Edwini-Bonsu mit den Geschwistern und der Mutter nachkamen. Bereits im Sommer war er in Österreich bei zwei Länderspielen dabei. Gegen Jamaika spielte er jetzt 86 Minuten. Die die Kickers hatten ihm keine Steine in den Weg gelegt, selbst wenn das theoretisch möglich gewesen wäre. „Wir müssen die Spieler ja auch bei Laune halten“, sagt Steffen – ohne den Spaßfaktor zu übertreiben. Und zudem sind diese internationalen Auftritte eine gewisse Auszeichnung für den Club. Nationalspieler haben die Kickers schließlich nicht allzu viele.

Acht Einsätze hat Edwini-Bonsu auf dem Konto. „Der Trainer hat meinen Weg immer verfolgt“, sagt er – auf Video oder im Internet. Und auch Floro ist offenbar nicht entgangen, dass sich der Spieler bei den Kickers stabilisiert hat. „Als er am Anfang zu uns gekommen war, lief er nicht rund“, erinnert sich Steffen an den Beginn vor rund einem Jahr. Kein Wunder, schließlich quälte er sich mit den Folgen eines Knorpelschadens herum. In der Rückrunde kam er zwar zu seinen Einsätzen, aber Laufwege und taktische Vorgaben stimmten manchmal nicht. „Dennoch wollte ich ihn halten“, sagt Steffen, „weil man gesehen hat, dass er immer für eine Überraschung gut ist.“

Dieses Vertrauen hat der Spieler inzwischen zurückgezahlt. Er fühlt sich wohl in Stuttgart, auch wenn er zugibt: „Braunschweig ist meine erste Liebe.“ Dort hat er seine Karriere in Deutschland begonnen und noch viele Freunde. Der Aufstieg der Eintracht in die Bundesliga war die Krönung, auch wenn sein Vertrag nicht verlängert worden ist. Begonnen hat der Europatrip des Halb-Kanadiers aber in Finnland beim AC Oulu. „Damals war ich nicht ganz fit, deshalb war das als Start ganz gut.“ Für 16 Tore in 20 Spielen hat es dennoch gereicht für den Usain Bolt der Blauen. Die 100 Meter lief er schon in 10,87 Sekunden. „Im Moment bin ich etwas langsamer.“ Ab und zu legt er mit dem Konditionstrainer ein paar Sprints ein und läuft der Konkurrenz davon.

Aber nicht den Kickers. Er würde gern bleiben, auch wenn sein Vertrag zunächst nur bis Saisonende gilt. Vielleicht kann er in Degerloch ja auch einer anderen Leidenschaft frönen: Eishockey. Ein Muss, wenn man in Kanada groß geworden ist. Und inzwischen hat Randy Edwini-Bonsu mitbekommen, dass es auf der Waldau auch eine Eisbahn gibt.