Als Horst Steffen im vergangenen Herbst zum Drittligisten Stuttgarter Kickers kam, stand der auf einem Abstiegsplatz. Am Mittwoch steht die Mannschaft im Finale um den WFV-Pokal gegen Heidenheim. Das ist auch ein Verdienst des Trainers.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Als Horst Steffen im Herbst neu in Stuttgart war, hatte er eigentlich rasch seine Traumwohnung gefunden. Einen Steinwurf entfernt vom Kickers-Gelände im beschaulichen Stadtteil Schönberg. Doch irgendwie schien dem Vermieter die Sache wohl nicht ganz geheuer. In Anbetracht von zuvor fünf Übungsleitern innerhalb eines Jahres sprach nicht allzu viel für ein langfristiges Mietverhältnis. Jedenfalls ging die Wohnung an einen anderen Interessenten.

 

Vielleicht hat der Hauseigentümer seine Entscheidung inzwischen ja bereut. Denn der Sportdirektor Michael Zeyer ist überzeugt: „Horst Steffen bringt alles mit, um sich im Fußball einen Namen zu machen.“ Vielleicht sogar über die Kickers hinaus, wer weiß? Bei denen gilt der 45-Jährige längst als Hoffnungsträger – der seine Zeit in Degerloch möglichst mit dem Aufstieg in die zweite Liga krönen soll, auch wenn Steffen sagt: „Da mache ich mir keinen Stress.“ Allenfalls Gedanken.

Zunächst einmal ist Horst Steffen der Retter vor dem Abstieg. Als er kam, schien das ein schwieriges Unterfangen. Und auch wenn der Erfolg oft viele Väter hat, ist er in diesem Fall in erster Linie dem Trainer zu verdanken. Der machte aus einem verunsicherten Haufen von Einzelspielern ein selbstbewusstes Team, dem er auch noch eine gewisse Spielkultur beibrachte. Innerhalb kürzester Zeit. Schon vor der Winterpause – mit dem ersehnten ersten Auswärtssieg in letzter Minute in Erfurt („das war mit der tollste Augenblick der Saison“) – war die Mannschaft aus dem Gröbsten raus. Und als sich Steffen in den Weihnachtsurlaub verabschiedete, gestand er: „Ich hätte selbst nicht gedacht, dass es so schnell geht.“

Glückliches Händchen bei Personalentscheidungen

Das war auch als Kompliment an die Mannschaft zu verstehen. Wenngleich an deren Stellschrauben zuvor gedreht wurde. Auch unter tatkräftiger Mithilfe des neuen Sportdirektors Zeyer, der mit seinen Personalentscheidungen – nicht nur beim Trainer – ein glückliches Händchen hatte. Aus der Versenkung geholte Spieler wie Gerrit Müller und Marco Calamita, aber auch der eher zufällig bei den Kickers gelandete Lhadji Badiane erwiesen sich bisher durch die Bank als Volltreffer. Zeyer kann sich da auch auf den Trainer verlassen, den er aus gemeinsamen Duisburger Profitagen kennt. „Ich schätze an ihm, wie er mit geringen Mitteln viel erreichen kann.“

Das ist nicht nur Zufall. Steffen hat die Neuen zuvor im Probetraining alle auf Herz und Nieren geprüft, denn er weiß: „Wir können uns da keine Fehler erlauben.“ So gewissenhaft geht Steffen stets zu Werke. „Er vergisst nichts“, sagt Zeyer, der eher mal einen Termin versäumt als sein Coach. Auf zwei Videos hatte der die Mannschaft genau studiert – und kam zum Urteil: die hat Potenzial. Auch wenn der Zustand wie bei einer Raupe wirkte, ehe sie zum Schmetterling mutiert. „Er hat sofort erkannt, dass wir konditionelle  Defizite haben“, erinnert sich der Kapitän Enzo Marchese. „Die Trainingssteuerung war das A und O“, zumal die Mannschaft nach dem gescheiterten Intermezzo unter Massimo Morales dankbar mitgezogen hat. Auch der Spaß dürfe nicht zu kurz kommen, versichert Steffen, eine rheinische Frohnatur light gewissermaßen. „Früher habe ich mir aus Karneval nichts gemacht, heute sage ich schon mal: Lass es laufen.“

Bis zu einem gewissen Grad. Denn Steffen spricht Fehler offen an. „Ich habe die Angewohnheit, meine Spieler deutlich darauf hinzuweisen.“ Das hat etwa Nick Fennell ebenso zu hören bekommen wie Fabian Baumgärtel. Elia Soriano traf es ganz besonders wegen seiner zehn Gelben Karten, und selbst der Kapitän war dran nach seinem Platzverweis gegen Münster. „Danach schauen wir dann gemeinsam nach vorne“, sagt Steffen. Soll heißen: Ich bin nicht nachtragend, nur konsequent.

Zeyer: Bei unserem Etat bleiben eben auch Wünsche offen

Vermeintliche Stammspieler wie der Vizekapitän Julian Leist passen nicht perfekt in seine Fußballphilosophie der Spieleröffnung von hinten oder des Ballbesitzes. „Die Grundidee ist immer, mehr Spieler in Ballnähe zu haben als der Gegner“, sagt Steffen. Das klappt schon ganz gut, aber nicht immer, zumindest nicht über 90 Minuten. Mit Zeyer ist er da voll und ganz auf einer Wellenlänge. „Sein Faible, Fußball spielen zu lassen, gefällt mir“, sagt der Sportdirektor, der sich permanent im Gedankenaustausch mit dem Trainer befindet. Auch über Spieler, die kommen sollen. Wenn möglich. „Bei unserem Etat bleiben eben auch Wünsche offen“, sagt Zeyer, in dessen Lokal „5“ in der Stadtmitte Horst Steffens Familie gerne auf einen Sprung vorbeischaut, wenn sie nach Stuttgart kommt. „Dann ist die Bude zu Hause schon mal voll“, sagt der Coach, der in zweiter Ehe verheiratet ist und aus jeder Beziehung zwei Kinder hat.

Sonst fährt der Bahncard-Besitzer mit dem ICE sonntags heim nach Kaarst, wo er sich dienstags um 4.46 Uhr auf den Rückweg macht. In Heumaden hat er längst eine Wohnung gefunden. Bald soll noch ein Vertrag unterzeichnet werden: bei den Kickers – mindestens bis 2016. Vielleicht sogar mit einer Ausstiegsklausel, falls ein höherklassiger Club anklopft.