Die Kickers kennen keine Gnade: im Drittliga-Derby haben sie den VfB II beim 4:1 mit einem Bein in die Regionalliga gestürzt. Doch auch die Blauen sind noch nicht über dem Berg, aber zumindest in der Tabelle wieder überm Strich.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Der Rasen im Gazi-Stadion glich einem Flickenteppich: Im Strafraum war ein Stück neu verlegt, vor der Hauttribüne mehr Erde als grün und mittendrin schön verteilt fanden sich die Markierungen der Scorpions-Footballer, die bereits ein Testspiel absolviert haben.

 

Während die Stuttgarter Kickers als Gastgeber diesen Widrigkeiten eindrucksvoll trotzten, kann sich der Gegner VfB II schon mal an solch schlechte Platzverhältnisse gewöhnen: in der Regionalliga. Denn da marschiert der Bundesliga-Nachwuchs nach der auch in der Höhe verdienten 1:4-Niederlage schnurstracks hin angesichts von bereits sieben Punkten Rückstand auf das rettende Ufer, den viertletzten Tabellenplatz. Auf den sich die Kickers nach einer recht eindrucksvollen Leistung vorgekämpft haben: Erleichterung ja, Euphorie nein. „Das waren notwendige Punkte, aber noch lange nicht der Klassenverbleib“, sagt der Sportdirektor Michael Zeyer.

Da muss man nur auf die Tabelle blicken. 45 Punkte sind wohl nötig. Denn im Abstiegskampf (bis Platz acht, Holstein Kiel) geht es so eng zu wie auf einem orientalischen Basar – und im übertragenen Sinne sagte der Kickers-Trainer Tomislav Stipic: „Wir kriegen nichts geschenkt.“ Nun ja, der VfB präsentierte sich am Samstag schon in Geberlaune. Nach 100 Sekunden lenkte Benjamin Kirchhoff, der zusammen mit Stefan Peric eine indiskutable Innenverteidigung abgab, eine Baumgärtel- Flanke wuchtig ins eigene Netz. „Das war ein Nackenschlag“, sagte Walter Thomae.

Beide Team trennen Welten

Vor der Partie trennten die beiden Lokalrivalen nur zwei Plätze, auf dem Rasen waren es Welten. In jeder Beziehung. „Wir haben den Kampf nicht angenommen“, sagte der VfB-Stürmer Marco Grüttner, der einst beim Lokalrivalen auf Torejagd gegangen war. Und als kleiner Zusatz: „Wenn wir so spielen wie heute, steigen wir ab.“

Und die Kickers bleiben drin, auf der Leistung (und den 19 Punkten aus den letzten elf Spielen) jedenfalls können sie aufbauen, auch wenn sich der Trainer Stipic ungewohnt defensiv gibt: „Wir müssen bescheiden bleiben. Es war eine gute Leistung, aber wir haben auch Fehler gemacht.“

Wie bitte? Die Standards seien nicht gut verteidigt worden, und im Überzahlspiel habe man ein paar Fehler gemacht. Mag sein, aber das war schon eher ein Jammern auf hohem Niveau. Die Kickers jedenfalls dominierten, allein schon von der Körpersprache. Ein Bajram Nebihi macht sicher nicht alles perfekt, aber er setzt Kopf und Körper ein und gibt nie auf. Auch nach 64 Minuten nicht, doch da nahm ihn sein Trainer vom Platz. „Ich bin noch nicht bei hundert Prozent, vielleicht wollte er keine Verletzung riskieren.“

Cacau muss frühzeitig verletzt vom Feld

Ähnliches geschah auf der Gegenseite, nur viel früher. Nach 24 Minuten war die Partie für Cacau beendet, der wieder ein Ziehen im Oberschenkel verspürte. „Eine Vorsichtsmaßnahme“, sagte Thomae. Und ohne den inzwischen 35-Jährigen ist der Sturm eben mit Windstärke eins bis zwei (leichte Brise) unterwegs. Abgesehen von Max Besuschkows Ehrentreffer (86.) hatte der VfB genau noch eine Chance durch Daniele Gabriele, die Torwart Korbinian Müller vereitelte. „Unsere Vorstellung war unterirdisch“, meinte Thomas. Das sagt alles. Gibt’s überhaupt noch Hoffnung? „Ich weiß, dass es die Mannschaft besser kann.“

Stimmt irgendwie, doch selbst dann hat sie zuletzt reichlich Punkte liegen lassen. Ganz anders die Kickers, das kann kein Zufall mehr sein. „Man hat gesehen, dass ein Team auf dem Platz steht“, sagte Zeyer. Das von dem Königstransfer Klaus Gjasula und Nebihi sowie dem Aufschwung des erneut starken Sandro Abruscia und des nimmermüden Edisson Jordanov profitiert. Aber wo es Gewinner gibt, gibt es auch „Opfer“, wie es Stipic ausdrückte. Die suspendierten Marchese und Müller natürlich, aber auch die kaum mehr berücksichtigen Bihr, Pachonik, Mendler oder Bahn. Stipic weiß um den Abnutzungskampf und betont: „Wenn man die Verrücktheit der Liga sieht, ist es für die Zuschauer unterhaltsam, für die Trainer aber anspruchsvoll.“

Wie gut, dass es am Mittwoch eine gewisse Abwechslung gibt: im WFV-Pokal beim FC Heiningen. Der Verbandsligist sollte kein Stolperstein werden, aber vielleicht der Platz. Stipic sagt: „Der ist eine neue Herausforderung.“ Des Rätsels Lösung: es wird auf keinem Flickenteppich gespielt, sondern auf Kunstrasen.