Kiddo Kat hat mit ihrem S-Bahn-Cover des Prince-Welthits "Kiss" Millionen Zuhörer erreicht. Am Freitagabend weigert sich die Hamburgerin im Stuttgarter Club Cann, wieder in den Alltag zurückzukehren.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Gigs von unbekannten Bands laufen gerne wie folgt ab: Die Musiker reisen Hunderte Kilometer an, um dann vor 45 Menschen zu spielen, die überdies zum Großteil von der örtlichen Vorband mitgebracht wurden. Die Gäste aus der Ferne treffen auf ein freundliches Publikum, das sich mitreißen lässt - dann aber vor allem den einzigen Coversong des Abends feiert. Am Ende sagen alle, diese Band hätte doch eigentlich einen größeren Rahmen für ihre Auftritte verdient.

 

Dass der Freitagabend für die Hamburger Band Kiddo Kat im Stuttgarter Club Cann in weiten Teilen (und gerade bei dem Part mit dem Coversong) so verläuft: daran hat die Gruppe, beziehungsweise ihre Sängerin Anna Guder, auch ein bisschen selbst Anteil. Als sich Ende April der Ausnahmekünstler Prince Richtung Pophimmel verabschiedete, war die Bestürzung groß - und ebenso die Freude über zwei gut aufgelegte Musikerinnen, die wenige Tage zuvor in einer Frankfurter S-Bahn mit ihrem "Kiss"-Cover gute Laune verbreitet und ein Video davon auf Facebook hochgeladen hatten. Das teilte sich blendend, Millionen Klicks, auch bei Youtube:  

Manchmal ist Timing eben alles, auch wenn dieser Clip kein Opportunismus war, weil mehr als eine Woche vor Prince' Tod ins Netz gestellt. Jedenfalls blieben die vielen Klicks auch den inzwischen für Internethypes sensiblen Funk- und Medienhäusern nicht verborgen. Berichte in ganz Deutschland, diese Gelegenheit will und muss man als Musiker nutzen - deshalb läuft jetzt gerade die Deutschlandtour, mit Stuttgart als zweitem Stopp nach dem Auftakt im heimatlichen Hamburg am Vorabend (wo laut "Hamburger Abendblatt" unter anderem drei Kamerateams zugegen waren).

Am Freitagabend im Cann ist ein einziger Pressevertreter zugelassen, dessen Text Sie gerade lesen. Weil zumindest in Stuttgart nicht so viele Internetnutzer dem geistigen Link vom Facebook-Video zum Livekonzert gefolgt sind, ähnelt der Rahmen des Auftritts von Kiddo Kat dem, was eingangs geschildert wurde: 45 Besucher, viele mitgebracht von der Vorband Vona Bunt, freundliches Publikum, Jubel beim Coversong. Ein Besucher je eine Million Klicks.

Aber der Internethype um das "Kiss"-Video war eben nicht nur mediale Selbstreferenz. Anna Guder strahlt während des einstündigen Konzerts über beide Ohren; das mag an den vielen Berichten liegen, an der ihr viel zu großen, vielleicht ein bisschen ironisch gehaltenen Gitarre - oder einfach an der Freude daran, jetzt unter ein bisschen anderen Umständen Musik machen zu können. Man nimmt ihr das ab, das steckt an. Der Hype steckt auch sie und ihre Band an, die sich nicht nur weigern, in den alten Alltag zurückzukehren. Die Euphorie trägt sie, man merkt das beim Zusammenspiel.

Das Rumhüpfen überlässt sie den Zuhörern

Anna Guders Band wählt genau das richtige Maß an dichten Grooves, um noch genügend Raum für die Frontfrau zu lassen. Die Musiker hüpfen nicht gerade wild durch die Gegend; das überlassen sie den Besuchern. Die Mischung aus Pop, Funk und R'n'B läuft smooth durch, bietet aber genügend Haken und Wendungen, um nicht eintönig zu werden. Schön auch: Kiddo Kat versuchen sich gleich gar nicht an einem tiefschwarzen Sex-Machine-Funk à la James Brown. Sie übersetzen ihn, was der Stimme Guders ohnehin angemessener ist, für ein Pop-Publikum und wandeln damit tatsächlich ein wenig auf den Pfaden des großen Prince Rogers Nelson.

Sympathiepunkte gibt es noch für den Song "All By Myself", in dem es darum geht, dass man als unbekannter Künstler eben alles selbst macht, wenn die Großen der Branche keine Zeit oder kein Interesse haben. Hätten sie mal besser hingehört: Die für das Album designierten Songs, die Kiddo Kat im Cann anspielen, versprechen einiges und bleiben den Besuchern gewiss ebenso im Ohr wie ein Covermedley, das die Band vor dem obligatorischen Abschluss mit dem Solo-"Kiss"-Cover spielt. Das Stuttgarter Publikum zeigt sich auch bei den bereits veröffentlichten Kiddo-Kat-Songs übrigens erstaunlich textsicher und jubelfreudig.

Auch das gehört zum Konzertleben der Kleinen: die Freude darüber, dass eben doch nicht alle nur wegen der Vorband gekommen sind. 


Zum Abschluss noch ein Tipp: am 20. August spielt die US-Band The Internet im Wizemann. Wer Kiddo Kat mag, sollte sich das mal anhören.

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