Der Kinderkanal Kika setzt einen Programmschwerpunkt und zeigt eine Woche lang drei Dutzend Sendungen rund um das Thema Kinderarmut.

Stuttgart - Es gibt einige Gründe, das Programm des Kinderkanals von ARD und ZDF zu kritisieren. Die meisten Zeichentrickserien sind austauschbar, viele Dokumentationen sind eher gut gemeint als gut gemacht, und innovative Ansätze sind Mangelware. Umso respektabler ist das Engagement für Minderheiten und Außenseiter, das Reihen wie „Schau in meine Welt!“ oder „Stark!“ prägt. Einmal im Jahr zeigt der Kika zudem Reportagen, Magazine und Filme rund um einen relevanten Schwerpunkt; bislang waren dies Themen wie Integration und Inklusion oder die Rechte der Kinder. In diesem Jahr konzentriert sich der Sender auf die Kinderarmut; in den kommenden neun Tagen beschreiben rund vierzig Sendungen, wie sich Armut im Alltag äußert und wie Kinder damit umgehen.

 

Die Bedeutung des Themas steht außer Frage: Kinder, die in wirtschaftlich schlechter gestellten Familien aufwachsen, haben geringere Bildungschancen oder sind in ihrer psychischen und physischen Entwicklung beeinträchtigt. „Außerdem macht Armut Angst“, sagt Siegmund Grewenig, der Leiter des WDR-Programmbereichs Unterhaltung, Familie und Kinder sowie ARD-Koordinator für das Kinderfernsehen: „Wer arm ist, der spricht nicht gerne darüber. Wer arm ist, der wird auch oft gemieden. Doch gerade Kinderarmut darf kein Tabu sein.“

Mit seinen Sendungen wolle der Kika der Kinderarmut in Deutschland ein konkretes Gesicht geben, ergänzt der Kika-Programmgeschäftsführer Michael Stumpf: „Wir lassen Kinder in ihren ganz unterschiedlichen Lebenswelten zu Wort kommen. Sie erzählen uns ihre Geschichten und zeigen uns, wie sie mit ihrer individuellen Situation umgehen und fertig werden.“ Deshalb stellen die Filme Kinder vor, die laut Barbara Biermann, Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Kinder und Jugend, „trotz begrenzter materieller Möglichkeiten ihr Leben aktiv gestalten und ihren Alltag selbstbewusst meistern.“

Wie sieht das Leben einer Hartz-IV-Familie aus?

Nicht alle Sendungen sind gleich gut gelungen. Das gilt vor allem für die Beiträge zur Doku-Reihe „Schau in meine Welt!“ (19. bis 22. Oktober). Die Qualität der Filme hängt entscheidend davon ab, wie gut der Draht ist, den die Autoren zu den Kindern bekommen, wie stark ihr gefilmtes Material ist. Oft muss ein Kommentar berichten, was man lieber von den Kindern hören würde. Anders ist das in dem Porträt von Nusin („Ein Leben in der Arche“, 22. Oktober) von Károly Koller, weil das zwölfjährige Mädchen selbst durch seine Welt führt. Nusin ist offen, sympathisch und auch noch hübsch, also ein echter Glücksfall für den Autor.

Es mag gerade in diesem thematischen Zusammenhang befremdlich klingen, aber letztlich verhält sich die Kika-Zielgruppe bei der Programmwahl nicht anders als ihre Eltern: Wenn man sich schon auf solch eine Fernsehreise begibt, dann lieber mit einer Reiseführerin, der man gern zuhört und zuschaut. Auf diese Wiese bekommen große und kleine Zuschauer Einblicke, die das Fernsehen im Allgemeinen und das Kinderfernsehen im Besonderen sonst selten geben: Was bedeutet es, wenn man sich bei jeder Geldausgabe gut überlegen muss, ob sie wirklich nötig ist? Und wie geht das Leben in einer Hartz-IV-Familie weiter, wenn das zur Verfügung stehende Geld Mitte des Monats weg ist? Oder wenn, wie bei der 13-jährigen Mareike aus Stuttgart (19. Oktober), die Mutter obdachlos ist und sich das Mädchen als Außenseiterin fühlt?

Die Jungen und Mädchen verdrängen ihre Probleme nicht

Trotz zum Teil wirklich widriger Lebensumstände zeigen alle Filme starke Kinder, die sich nicht unterkriegen lassen. Die Sendungen deprimieren nicht, sondern machen Mut. Dennoch hat man nie das Gefühl, als hätten die Autorinnen und Autoren ihren Geschichten einen entsprechenden Dreh geben müssen. Die Jungen und Mädchen verdrängen ihre Probleme nicht; es gibt durchaus den einen oder anderen Moment der Niedergeschlagenheit, aber das Grundgefühl ist positiv. Die Botschaft der elfjährigen Eva („Eva nutzt ihre Chance“, 21. Oktober) mag schlicht und wenig originell sein, aber sie lebt sie: „Das Leben ist kein Wunschkonzert. Wenn man etwas haben möchte, dann muss man dafür kämpfen.“

Die aktuelle Flüchtlingswelle kommt dem Kika quasi wie gerufen, denn die Themenkomplexe gehören zusammen, und das nicht nur, weil von Armut viele Menschen mit Migrationshintergrund betroffen sind. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Beiträge, dass die Betroffenen nie als Opfer gezeigt werden, aber noch mehr Mut machen die Filme, in denen Kinder aktiv werden. Vorbildlich in jeder Hinsicht ist das Porträt der zwölfjährigen Rosa aus der Reihe „Stark!“ („Tun kann jeder was“, 18. Oktober). Die junge Kölnerin wohnt in der Nähe eines Flüchtlingsheims und will helfen. Sie knüpft Kontakt zu den Kindern im Heim, bringt ihnen deutsch bei und freundet sich mit der gleichaltrigen Albanierin Hisjona an. Rosa ist ein Glücksfall, weil sie trotz ihrer Jugend ein beeindruckend reflektierend denkender Mensch ist, ein ausgeprägtes Gefühl für Gerechtigkeit hat und sich ausdrücken kann wie eine junge Erwachsene.

Auch Regelsendungen wie „Checker Tobi“, „neuneinhalb“, „Die Sendung mit der Maus“, „pur+“ oder „motzgurke.tv“ befassen sich mit dem Thema und fragen, ob Menschen selbst Schuld sind, wenn sie arm werden, und wie es ist, mit leerem Bauch lernen zu müssen, und welche Chancen es gibt, den Armutskreislauf zu durchbrechen.