Thomas Langheinrich ist Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg und seit 2013 Beauftragter der Medienanstalten in Deutschland für europäische Angelegenheiten. Zu seinen britischen Kollegen hält er engen Kontakt und ist daher von den Vorteilen des britischen Jugendschutz-Filtersystems bei Providern überzeugt.
Herr Langheinrich, warum sollten die Provider von sich aus Kinder- und Jugendschutzfilter anbieten?
Mit eingeübten deutschen bürokratischen Methoden können wir nicht viel erreichen, weil die Anbieter im Ausland sitzen. Wir brauchen deshalb einen intelligenten technischen Eingriffsschutz. Die Provider sollen ihr Angebot so konfigurieren, dass Eltern die Jugendschutzsperren bewusst aufheben müssen. Dieser „Kinderschutz by Design“ ist genau der richtige Ansatz, um die Eltern zu sensibilisieren und es für sie so einfach wie möglich zu machen. Der britische Provider TalkTalk zum Beispiel hat die Filtersoftware aus eigenem Antrieb auf den Markt gebracht, erst dann hat die Politik auch die anderen Unternehmen dazu aufgefordert. In der Automobilindustrie haben Unternehmen schon lange erkannt, dass Schutzmaßnahmen für Kinder auch eine Werbemaßnahme sein kann.
Provider sollen also mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen?
Ja, Im Straßenverkehr gibt es eine Gefährdungshaftung: Sobald Sie ein Auto fahren, sind Sie gefahr-erhöhend und tragen eine Mitverantwortung bei Unfällen, auch wenn Sie nicht schuld sind. Beim Umweltschutz gibt es ähnliche Prinzipien. Das sollte im Internet für Provider auch so sein.
Kritiker sehen in dem Filter eine mögliche Zensurkultur aufkommen.
Hier wird ein freiwillig gewählter Schutzmechanismus vorgeschlagen und gerade kein zwangsweiser Eingriff auf staatlicher Ebene. Jugendschutz hat im Übrigen mit Zensur überhaupt nichts zu tun. Auch beim allseits akzeptierten Alkoholverbot für Kinder in öffentlichen Gaststätten kommt doch niemand auf die Idee, Deutschland deshalb als Land der Prohibition zu bezeichnen.
Die Filter der aktuellen Kinderschutzsoftware arbeiten nur mit einer Genauigkeit von 80 Prozent. Wie geht man mit diesem Qualitätsproblem um?
Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Das kennen wir aber auch vom Antivirenschutz, und dennoch installieren wir ihn. Feedback-Möglichkeiten und Verbesserungen durch Nutzerkommentare sind wichtig. Man muss an der Qualität arbeiten, aber man darf das System nicht wegen Qualitätsmängeln ablehnen. Deshalb sollen Unternehmen das in die Hand nehmen, die Wert auf Qualität legen.