Mit dem Vergabeverfahren der Kitaplätze sind Eltern in Stuttgart unzufrieden. Auch die Anmeldung kostet Nerven. Doch den Gang zum Verwaltungsgericht, um den Rechtsanspruch geltend zu machen, scheuen die meisten.

Stuttgart - Eva Müller (Name geändert) ist verärgert. Die berufstätige Mutter zweier Kleinkinder hat ihren Jüngsten bereits im November 2013, kurz nach seiner Geburt, in der städtischen Kita vormerken lassen, in der auch seine ältere Schwester ist. Doch damit hat der Kleine noch keinen Platz, denn er wird erst im Oktober 2014 ein Jahr alt und darf deshalb am Vergabeverfahren der städtischen Kitas für das neue Kindergartenjahr nicht teilnehmen. So landete er dort, wie viele andere Kinder, nur auf der Warteliste – Rechtsanspruch hin oder her. In Stuttgart einen Krippenplatz zu erwischen ist nach wie vor schwer. Doch wie groß der Bedarf tatsächlich ist, kann derzeit auch das Jugendamt nicht sagen, denn das elektronische Anmeldeverfahren funktioniert nicht wie erhofft. Es ermöglicht keinen tagesaktuellen Überblick darüber, wie viele Kinder tatsächlich auf einen Platz warten.

 

„Wir wussten nicht, dass unser Sohn zum 1. August schon ein Jahr alt sein muss, um überhaupt bei der Platzvergabe berücksichtigt zu werden“, sagt Eva Müller. Das bedeute, dass er trotz Rechtsanspruch erst eine Chance auf einen Platz habe, wenn er fast zwei sei. Die Familie habe den Kleinen zwar auch bei zwei weiteren Kitas eines katholischen Trägers angemeldet, aber von dort bisher weder eine Zu- noch eine Absage erhalten. Aus logistischen Gründen hoffen Eva Müller und ihr ebenfalls berufstätiger Mann immer noch auf einen Nachrückerplatz in der städtischen Krippe, wo auch die Tochter untergebracht ist.

Die Konkurrenz ist groß – Alleinerziehende haben Vorrang

Doch die Konkurrenz ist groß. Und dass beim städtischen Träger Alleinerziehende Vorrang vor Eltern mit Geschwisterkindern haben, missfällt Eva Müller. Sie vermutet, dass so manches nicht verheiratete Paar das Feld „alleinerziehend“ ankreuze, nur um schneller zu einem Platz zu kommen. Auf die Online-Anmeldung habe sie verzichtet. Auf die Frage nach der Anmeldung habe ihr die Einrichtungsleitung einen Papierbogen hingelegt, den sie ausgefüllt habe.

Das sollte laut Jugendamt eigentlich so gar nicht mehr vorkommen, denn ursprünglich hatte der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats bereits im November 2012 beschlossen, ein zentrales Online-Anmeldesystem einzuführen. Das gibt es inzwischen zwar, aber offensichtlich beteiligt sich selbst beim städtischen Träger, der in Stuttgart 40 Prozent der Kitaplätze bietet, nur ein Teil der Einrichtungen daran. Deshalb werde die Warteliste nach wie vor von Hand abgeglichen, und zwar im September, berichtet die Jugendamtssprecherin Daniela Hörner. Vorher könne nicht gesagt werden, wie hoch aktuell der Bedarf an Betreuungsplätzen ist. Und dass allein der städtische Träger vor Kurzem zwar 800 Zusagen, aber auch 3613 Absagen verschickt habe, lasse wegen der Mehrfachanmeldungen sowie wegen der anderen Träger keinen Rückschluss auf die Bedarfslage in Stuttgart zu.

Vielen Eltern ist eine Klage zu umständlich

Auch Monika Schneider vom Gesamtelternbeirat der städtischen Kitas kritisiert die Mangelverwaltung, denn trotz des Ausbaus der Plätze wachse auch der Bedarf nach Ganztagsbetreuung stetig. Dass trotzdem kaum jemand klagt, wundert Schneider nicht. „Den Eltern wird es schwer gemacht, mit den Informationen zurechtzukommen“, sagt sie. Außerdem könne sich ein Klageweg langwierig gestalten. Aktuell den Rechtsanspruch ihrer Kleinkinder auf einen Platz geltend gemacht haben laut Jugendamt 26 Eltern, inklusive der Altfälle seien es 177. Ein ablehnender Bescheid der Stadt ist die Voraussetzung, um klagen zu können. Überrascht habe die Elternvertreter hingegen, dass das Jugendamt kurzerhand zum 1. Januar 2014 eine Quotierung bei der Platzvergabe eingeführt hat.

Demnach haben nicht mehr automatisch ältere Kleinkinder Vorrang, sondern jetzt werden 50 Prozent der Krippenplätze für Kinder zwischen zwölf und 18 Monaten vergeben und 50 Prozent für Kinder im Alter zwischen 18 und 33 Monaten. Grund dafür sei eine pädagogisch sinnvollere Gruppenzusammensetzung, so Hörner.

Jugendamt: „Wir können uns keine Erzieherinnen backen“

Schneiders Kritik, dass beim Früh- und Spätdienst überwiegend Aushilfen die Kinder betreuten, hält Hörner entgegen: „Wir können uns keine Erzieherinnen backen. Wir können den Eltern nur dieses bedarfsgerechte Angebot machen, weil wir auch mit Aushilfen arbeiten.“ Die Mindestpersonalverordnung des Landes habe dazu geführt, dass Kitas beim Personaleinsatz weniger flexibel seien.

Auch die vor gut einem Jahr beschlossenen Container-Kitas werden das Personalproblem nicht ändern, sondern eher verschärfen. Wann die bezugsfertig sind, weiß man im Jugendamt aber ohnehin nicht.