Die Stuttgarter Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer befürchtet durch das Urteil massive Folgen auch für städtische Kitas – und einen Aufschwung bei kommerziellen Krippenanbietern.

Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer will das Krippenurteil des Verwaltungsgerichts nicht hinnehmen: „Wir werden beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim Antrag auf Zulassung zur Berufung stellen“, sagte sie der StZ. In dem Urteil verpflichtet das Gericht die Stadt, den Eltern eines zweijährigen Buben die Mehrkosten für die teurere Unterbringung in einer Privatkrippe zu erstatten, nachdem dieser weder bei der Stadt noch bei kirchlichen Trägern einen Krippenplatz bekommen hat. Ein solches Grundsatzurteil hätte, so es rechtskräftig würde, aus Fezers Sicht massive Konsequenzen auf die Kindergartenlandschaft in Stuttgart.

 

„Das wird Nachahmer finden“, befürchtet Fezer – nicht nur bei den Eltern, sondern auch bei Betreibern von Tagesstätten, denen Justitia durch das Urteil eine sprudelnde Einnahmequelle bescheren würde. Denn so könnten auch finanzschwächere Eltern als Kundschaft gewonnen werden. Umgekehrt könnten auch Eltern, die sich die teurere Privatkrippe durchaus leisten können, bei der Stadt künftig auf Erstattung des Differenzbetrags zur städtischen Kita pochen – sofern ihnen die Stadt keinen Platz anbieten kann.

Bürgermeisterin befürchtet auch Folgen für städtische Kitas

Der Ausbau der Plätze geht voran

Auch sozialpolitisch käme die Stadt aus Fezers Sicht in Schieflage, da sie dazu gezwungen wäre, „Einrichtungen zu bezuschussen, die wir gar nicht bezuschussen wollen“. Bisher fördere die Stadt nur Kitaträger, die maximal 150 Prozent der städtischen Elternbeiträge verlangten. Das Gericht hatte einen monatlichen Differenzbetrag von städtischer zu kommerzieller Krippe in Höhe von 684 Euro als vertretbar eingestuft. „Das führt zu völlig veränderten Strukturen“, so Fezer. Dann müsse auch über eine Erhöhung der städtischen Gebühren nachgedacht werden. Bisher halte man die Elternbeiträge bewusst niedrig.

Dass Eltern den Rechtsanspruch ihrer Kleinkinder auf einen Krippenplatz auch nutzten, sei völlig in Ordnung, so Fezer. Wie die Stadt als Trägerin der Jugendhilfe die vom Gericht angemahnte Gesamtverantwortung zur Umsetzung dieses Anspruchs umsetzen will, ist offenbar noch völlig unklar. Denn der Ausbau der Plätze geht zwar voran, aber er reicht noch immer bei weitem nicht aus. 3442 unter Dreijährige stehen auf der Warteliste für einen Krippenplatz. Wann der Bedarf gedeckt sein wird, darüber mag Fezer nicht einmal spekulieren. Fest steht, dass die Stadt, die selber nur 28,5 Prozent der Plätze anbietet, bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf die Kirchen und anderen freien Träger, auch kommerzielle, angewiesen ist.

Zentrale Platzvergabe ist unrealistisch

Zentrale Vergabe schließt Fezer aus

Eine zentrale Platzvergabe sei wegen der Vielfalt der Träger nicht möglich, so Fezer. Doch immer mehr Kitas beteiligten sich am von der Stadt organisierten zentralen Online-Anmeldeverfahren. Nutzer berichten hingegen, dass dieses unzureichend sei. Von der Vorstellung des Gerichts, dass die Stadt suchenden Eltern eine Betreuung anzubieten habe, egal bei welchem Träger, ist Stuttgart noch weit entfernt.

Juristisch zweifelt Fezer das Stuttgarter Urteil, das sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stützt, an, weil dieses sich auf einen völlig anders gelagerten Fall in Rheinland-Pfalz beziehe, wo das Land Eltern einen Rechtsanspruch auf einen gebührenfreien Kitaplatz zubillige.