In Zeiten des Fachkräftemangels wundert sich ein mit der Kita-Arbeit vertrauter Gymnasiallehrer, dass die Stadt Stuttgart ihn nicht mehr als Kita-Aushilfe einsetzt.

Stuttgart - Der StZ-Bericht über die Personalengpässe und die Kürzung der Öffnungszeiten bei den privaten Element-i-Kinderhäusern hat dem Kitaträger Konzept-e viele Angebote von potenziellen Aushilfskräften eingebracht. Auch bei der StZ meldeten sich Interessenten mit pädagogischer Erfahrung und baten um Kontakt zu dem Träger. Unterdessen lässt das Jugendamt als städtischer Kitaträger Aushilfsarbeitsverträge auslaufen, weil offenbar viele angehende Fachkräfte, darunter auch aus der Praxisintegrierten Ausbildung (PIA), ihren Abschluss machen und in die Einrichtungen wechseln.

 

Davon betroffen ist auch Florian Müller (Name geändert). Sein Vertrag als Aushilfskraft in einer städtischen Kita werde voraussichtlich nicht verlängert. Dabei würde er liebend gern weiter auf seiner 50-Prozent-Stelle in der Ganztagskita in Bad Cannstatt arbeiten. Ihm gefalle die Arbeit mit den Kindern, und er fühle sich in der Einrichtung wohl. Offenbar schätzt auch die Einrichtung Müllers Arbeit, denn nach dem ersten Vierteljahr sei sein befristeter Vertrag verlängert worden, auf ein Jahr. Er läuft im Sommer aus. Doch das Jugendamt setzt auf Stellenbesetzung mit Fachkräften. Eine weitere Beschäftigung in diesem Arbeitsbereich stellt es Müller nur in Aussicht, wenn er als Fachkraft anerkannt sei.

Hebammen dürfen, Gymnasiallehrer dürfen nicht

Doch genau dies ist in seinem Fall nicht so einfach. Denn anders als etwa Hebammen, Physiotherapeuten, Logopäden, Dorfhelfer, Fachlehrer oder Grund-, Haupt- oder Sonderschullehrer fällt Florian Müller nicht unter den vom Gesetzgeber festgelegten Fachkräftekatalog. Wer den genannten Berufsgruppen angehört, hat die Möglichkeit, sich innerhalb von 25 Tagen nachzuqualifizieren und im Berufsfeld Kita zu arbeiten – auch ohne einen beruflichen Abschluss als Erzieher. Aber Florian Müller ist Musiklehrer für das Gymnasium – und somit fehlt ihm die pädagogische Ausbildung für das Kleinkind.

Als er nach seinem Referendariat als Musiklehrer in einem Gymnasium auf einer 50-Prozent-Stelle gearbeitet habe, habe er gemerkt: „Das war nicht so mein Ding.“ Es habe sich zeitlich schlecht mit einer Tätigkeit als freiberuflicher Musiker verbinden lassen – „und es kostet sehr viel Kraft und Energie“. Bei den Kitakindern sei das „völlig anders, vor allem nicht so zwanghaft, nicht so druckbelastet“, berichtet Müller, der weiterhin Schlagzeugunterricht erteilt und eigene Musikprojekte macht. Dazu eine halbe Stelle im Kindergarten – „das ergibt ein schönes Ganzes“, meint Müller.

Über Ausnahmen entscheidet das Landesjugendamt

Doch er wolle dafür nicht eine zweijährige Ausbildung machen. Und er versteht den Gesetzgeber nicht: „Auf der einen Seite werden Fachkräfte gesucht ohne Ende – und auf der anderen Seite bekommen Leute wie ich trotz Ausbildung keine Chance“, sagt Müller. Das Jugendamt verweist in dieser Sache auf den Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) Baden-Württemberg. Ausschließlich dieser sei für Ausnahmezulassungen zuständig. Laut dessen Sprecherin Heide Trautwein werden jedes Jahr rund 100 Ausnahmeanträge gestellt. „Es gibt Ausnahmen, über die entscheidet das Landesjugendamt – aber nur auf Antrag des Trägers.“ Kriterien dafür seien die pädagogische Vorbildung und Erfahrung sowie die persönliche Eignung. Das Jugendamt sagte der StZ: „Momentan sehen wir hier keine Chance auf Erfolg.“

Unterdessen freut sich der private Kitaträger Konzept-e über die vielen Rückmeldungen potenzieller Aushilfskräfte. Es seien „etliche gut ausgebildete Leute dabei, die wir einsetzen könnten, auch ehemalige Lehrer“, berichtet Konzept-e-Sprecherin Desiree Schneider. Nun kläre die Personalabteilung das weitere Vorgehen.